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#43 Zwischen den großen Seen Vättern und Vänern

Der westliche Abschnitt des Göta-Kanals empfängt uns mit ruhigen Fahrten, gelassenen Schleusenmanövern, zunehmend freundlicherem Wetter, spannenden Entdeckungen – und wieder mit Begegnungen, die im Gedächtnis bleiben.

Samstag 05.07.2025 – Motala – Hafentag

Für heute ist nahezu durchgehend Regen vorhergesagt. Wir bleiben in Motala, beginnen den Tag entspannt und nehmen um 11:00 Uhr den Bus nach Vadstena. Dort soll in und um das Schloss ein Mittelaltermarkt stattfinden und auch von einem Traditionsseglertreffen hatte Barbara gelesen. Wir wären gern auf eigenem Kiel dorthin gefahren, aber das Wetter schreckt uns ab. So kommen wir einigermaßen trocken am Ziel an, durchstreifen einmal die malerische Innenstadt, die bei Sonne viele schöne Fotomotive böte und wenden uns dann dem Schloss zu. Der Gästehafen zieht sich hier bis in den Schlossgraben und Barbara erinnert sich an ihre erste Reise als Jugendliche auf dem väterlichen Boot, bei der sie mit seiner Venga hier übernachteten. Leider sieht es bei Regenwetter deutlich weniger malerisch aus. Uns tuen vor allem alle Laienspieler leid, die dem Mittelalterfest in passender Kleidung und teilweise auch mit handwerklichen Arbeiten authentisches Flair verleihen sollen. Ein Handwerkslager befindet sich vor den Schlossmauern und ist bereits triefend nass. Im Schlosshof ist ein Mittelaltermarkt aufgebaut und auch dieser leidet unter dem Wetter und den damit verbundenen geringen Besucherzahlen. Wir lösen ein Ticket für die Schlossbesichtigung und lassen uns durch die Räume treiben. Die hier im Inneren eingesetzten Laienspieler haben es besser getroffen, wobei der Ritter in Begleitung seines Burgfäuleins ebenfalls wenig glücklich scheint. Er erklärt uns, dass die Rüstung 50 Kilo wiegt – die Schweißtropfen stehen ihm auf der Stirn. Die Ritter des Mittelalters waren durch ihr häufiges Training an dieses Gewicht gewohnt, für ihn scheint es eher Neuland zu sein. Nachdem sein Visier wieder heruntergeklappt ist, erstarrt er zu einer sitzenden Salzsäure. Eine Mutter mit ihrem Sohn nähert sich der vermeidlich leeren Rüstung um sie zu berühren und beide bekommen einen riesigen Schrecken, als sie sich plötzlich bewegt.

Vadstena, heute eine Stadt mit ca. 6.000 Einwohnern, kann auf eine lange und bewegte Geschichte zurückblicken, die eng mit dem Brigittenkloster und dem Schloss Vadstena verbunden ist. Das im 14. Jahrhundert gegründete Kloster war ein von der heiligen Brigitta konzipiertes Kloster und ein Zentrum des religiösen und kulturellen Lebens. Es erwuchs aus dem ehemaligen Königspalast von König Magnus Erikson, den dieser zusammen mit seiner Gattin Blanka der heiligen Brigitta zur Gründung ihres Klosters überließ. 1400 erhielt Vadstena Stadtrechte und das Kloster wurde durch verschiedenen Schenkungen Schwedens größter Grundbesitzer. Es beeinflusste maßgeblich die Stadtentwicklung, denn es war darauf ausgelegt viele Pilgernde zu empfangen. Weltweit gibt es noch heute auf drei Kontinenten 57 Brigittenklöster. Die Blütezeit des Klosters in Vadstena reichte bis zu Reformation Ende des 16. Jahrhunderts. 1595 wurde es aufgelöst. 1963 wurde das Brigittenkloster in Vadstena neu belebt, nun aber in einem neuen Gebäude, das 1972 gebaut wurde und seit 1991 wieder zur selbständigen Abtei erklärt wurde.

Zur Zeit der Reformation (Baubeginn 1545) entstand das Schloss Vadstena, das anfangs als Verteidigungsanlage gebaut, später aber zu einem prächtigen Schloss umgebaut wurde. Sein Bauherr war Gustav Wasa, der es an seinem Sohn Herzog Magnus übergab, unter dem Vadstena den Status einer Residenzstadt erhielt. Fertiggestellt wurde das Schloss 1620 und verfügt bis heute über drei Etagen mit den ursprünglichen Grundrissen. Es ist das am besten erhaltene Renaissance-Schloss in Skandinavien.

Wir brechen aufgrund des schlechten Wetters eine weitere Stadterkundung ab und fahren mit dem Bus zurück nach Motala. Nach einem Abstecher zum „Systembolaget“, der Kette, in der man in Schweden alkoholische Getränke kaufen kann (wir haben kein Bier mehr!), und einem Blick in die Kirche (dort wird gerade geheiratet) begeben wir uns ins überdachte Cockpit. Unser Bericht wartet noch auf Vollendung, da ist schlechtes Wetter gar nicht so unwillkommen.

Sonntag, 06.07.25 Motala – Kronsberg – 18 Seemeilen

Der Wetterbericht hat sich leicht verbessert. Es sollte möglich sein, den Vättern heute unter Segeln und ohne Regen zu überqueren. Die weiteren Voraussagen, lassen uns aber von einer intensiveren Erkundung des Vättern Abstand nehmen. Es scheinen die Regenwolken über dem See zu kreisen, während es über dem Vänern weiter im Westen aufreißt. Also muss sowohl die Erkundung des Brigittenklosters, als auch des Vättern als Segelrevier auf die Zukunft verschoben werden – wieder ein Punkt für die „Löffelliste“.

Die ersten 3 Meilen laufen wir unter Motor gegen den Wind aus der Bucht von Motala. Dann setzen wir das Groß im ersten und die Genua im 2. Reff. Es sind Winde aus Südwest um 28 Knoten mit Böen bis 25 Knoten vorausgesagt. Trotz einem Knoten Gegenstrom läuft Jento anfangs 5,8 bis 6,2 Knoten über Grund. Dann baut sich eine etwas steile unangenehme Welle auf, die sie bremst. Aufgrund der geringeren Dichte von Süßwasser, trifft man auf den Seen auf andere Wellenstrukturen, als auf der Ostsee. Uns kommen sie steiler und kürzer vor – Jento mag sie nicht und stampft sich fest. Zum Glück dreht der Wind südlicher und so wird aus dem „Hoch am Wind“ – Kurs ein Halbwindkurs und Jento flitzt wieder los. So brauchen wir nur 2,5 Stunden für die Fahrt quer über den See, bis wir vor Karlsborg an der Einfahrt in den Göta Kanal wieder die Segel bergen. Es war richtig schön, mal wieder segeln zu können! In Kronsberg legen wir zum ersten Mal seit der dänischen Südsee wieder in einer Box mit Dalben an – wir können es noch!

Im Südwesten steht eine dunkelgraue Front. Wir bauen schnell die Kuchenbude auf und machen es uns mit Einlaufgetränk und Hörbuch gemütlich, bevor der Regen wieder lospladdert.

Den Nachmittag verbringen wir in der Kuchenbude bei Getränk und Kniffel mit der Samba-Crew. Zwischendurch gießt es wie aus Kübeln, sodass man kaum das eigene Wort verstehen kann. Nach dem Abendessen gönnt uns der Regen eine Pause, sodass wir einen Abendspaziergang machen können. Sogar die Sonne kommt noch kurz heraus und taucht alles in ein warmes Licht.

Montag, 07.07.2025 – Kronsberg – Forsvik – 3 Seemeilen

Vormittags soll es trocken bleiben. Wir packen die Räder aus und erkunden die Halbinsel Vanäs, auf der die imposante Festungsanlage Karlsborg liegt. Solange es trocken ist, umrunden wir die Halbinsel und haben einen schönen Blick auf den Vättern. Wir kommen vorbei an der DC-3 „Munin“, die das schwedische Militär den Amerikanern abgekauft hat. Maschinen dieses Typs waren beim D-Day am 06.06.1944 in der Normandie dabei und dienten dem Transport von Fallschirmjägern. Sie wurden von Douglas Aircraft Company in St. Monica, Kalifornien gebaut. Diese Maschine wurde 2008 von der Kameradschaft der Fallschirmjäger Kronsberg übernommen. Um sie hierher zu bekommen, wurden die Flügel demontiert und sie wurde auf ein Schiff verladen, das sie durch den Götakanal bis nach Kronsberg brachte.

Weiter geht es bis zum kleinen Leuchtturm, der als Fotomotiv gut geeignet ist…

Im Anschluss durchqueren wir die Festungsanlage mit dem Ziel, uns das Museum anzusehen. Es enthält Unmengen an militärischem Equipment, was uns ehrlicherweise nur bedingt interessiert. Aber die Idee für die Festungsanlage an sich und die Umsetzung, fanden wir sehr interessant und wollen sie gerne mit euch teilen:

Vor ca. 200 Jahren verlor Schweden den „Finnischen Krieg“ gegen Russland – Finnland ging an Russland. Unsere langjährigen Leser und Leserinnen erinnern sich vielleicht an unseren Bericht #5 von den Ålandinseln in 2024, in dem wir über unseren Besuch auf der russischen Festung Bomarsund berichtet haben. Für Schweden bedeutete die Niederlage, dass die russische Grenze beunruhigend nahe an die schwedische Hauptstadt Stockholm gerückt war. Bei einem erneuten Kriegsausbruch wäre dies sehr bedrohlich. Aus diesem Grund entwickelte man ein Zentralverteidigungssystem und entschied sich eine Ersatzhauptstadt mitten in Schweden zu errichten. Dafür wählte man die Halbinsel Vanäs, eine schmale Landzunge am Vättern. Im Falle eines Krieges sollten der König, die Regierung und das gesamte Gold dorthin gebracht werden. Innerhalb der Festungsmauern wurde eine kleine Stadt mit Wohnungen, Krankenhaus, Werkstätten und Plätzen errichtet. Die geplante Bauzeit für die Festungsanlage war mit 10 Jahren veranschlagt. Baubeginn war 1819, zehn Jahre nach Ende des Finnischen Krieges. Allerdings dauerten nur die vorbereitenden Erdarbeiten bereits 20 Jahre, denn die Erhebung der Halbinsel wurde von Hand mit Schaufel und Schubkarre abgetragen und zu den Festungswällen transportiert. Die Hauptbefestigung wurde im Süden in Form einer 678 Meter langen Festungsmauer mit angegliedertem Gebäude errichtet. Die äußere Mauer besteht aus einer 2-3m starken Kalksandwand mit 287 Schießscharten. Zur Innenseite der Festung wirkt das Gebäude mit seiner Backsteinfassade und den Fenstern zivil. Hier lagen die Unterkünfte der Soldaten. In der Mitte thront ein Turm über dem Gebäude, der zur Festungskirche im ersten Stock gehört. Der Kirchensaal sollte im Kriegsfall der schwedischen Regierung als Tagungsraum dienen. Er wird von einem von einem Kronleuchter mit zig Bajonetten dominiert.

Letztlich hat der Bau der Festung 90 Jahre gedauert und aufgrund des immer schnelleren technischen Fortschritts, war sie eigentlich bereits bei ihrer Fertigstellung veraltet. Daher nutze man sie als Lager und Schule für Militär. Sie hat weder einen Krieg miterlebt, noch hat in der Kirche je die schwedische Regierung getagt. Aber bis in den zweiten Weltkrieg hinein wurden hier Teile der Goldreserven der Reichsbank gelagert. 1994 wurde die Festung von der staatlichen Liegenschaftsbehörde übernommen und umfassend renoviert. Das Museum entstand. Aber noch heute gibt es in ihren Mauern eine aktive Kaserne. In vielen anderen Gebäuden gibt es unterdessen Wohnungen, in denen 150 Zivilisten wohnen, die in unterschiedlicher Weise mit dem Betrieb der Festung verbunden sind, die bereits seit 1935 unter Denkmalschutz steht.

Pünktlich beim Verlassen des Museums setzt ein leichter Landregen ein. Wir machen noch einen Kurzeinkauf bei Coop, verstauen die Fahrräder an Bord und legen dann ab. Unser heutiges Ziel ist Forsvik, ganze 3 Seemeilen im Nieselregen entfernt.

Der Regen hält den ganzen restlichen Tag an, den wir für Alltagsarbeiten wie Staubsaugen und „Windelkontrolle“ nutzen. Unsere Leckage am Abpumpstutzen des Schwarzwassertankes ist noch nicht abgedichtet, die dort angebrachte Windel muss erneuert werden. Alle anderen zur Sicherheit in der Bilge ausgelegten Windeln sind nahezu trocken, ein gutes Zeichen – offensichtlich gibt es keine anderen Leckagen!

Abends sind wir zum Burger – Essen auf die „Samba“ eingeladen und trösten uns gemeinsam über das schlechte Wetter hinweg. Ab Mittwoch spricht der Wetterbericht von 16 bis 18 Stunden Sonne, wir müssen also nur noch den morgigen Tag überstehen. Dafür haben wir das Industriemuseum am Ort ausgewählt.

Dienstag, 08.07.2025 – Forsvik – Vassbacken – 15 Seemeilen

Vormittags hört der Regen endlich auf. Wir spazieren zum Industriemuseum Forsvik, um uns die Anlage, die vom Ende des 19. Jahrhunderts bis 1977 Gußeisenprodukte herstellte, anzusehen. Im Kassengebäude gibt es zur Zeit zusätzlich die Ausstellung „Aquanauts“, die uns total gefangen nimmt – wir sind fasziniert!

Die Ausstellung „Aquanauts“ handelt von einer (fiktiven?) wissenschaftlichen Expedition, die sich mit der Entdeckung von „Homo aquatis“ befasst, einer bisher unbekannten menschenähnlichen Spezies, die im Wasser lebt. Die Ausstellung kombiniert Elemente der Wissenschaft, Kunst, Fantasie und visuellen Gestaltung, um die Geschichte und die Entdeckung dieser faszinierenden Kreaturen zu erzählen. Aufgehängt wird sie an zwei Schwedinnen, die eine Prähistorikerin, die andere Geologin und Fotografin, die 1897 zu einer Expedition an den See Siljan in Mittelschweden aufbrachen. Hier schlug vor 365 Millionen Jahren ein Meteorit ein. Die beiden Frauen wollen Flora, Fauna und Gestein untersuchen. Ihre Tagebücher Zeichnungen und Fotografien Ihres Aufenthaltes bringen Erstaunliches ans Licht. Sie beschreiben die Begegnung mit unbekannten Wesen, den Homo aquatis. Ende 1897 verschwinden sie spurlos und nach 115 Jahren werden sieben Koffer und einige Holzkisten mit Ihren Aufzeichnungen, Funden, Geruchsproben und Zeichnungen anonym an das Museum für Ontologie in Stockholm geschickt. Diese Materialien, die die fiktive Geschichte der Expedition erzählen, bieten Einblicke in die damalige Forschung und die Wissenschaft. Die Ausstellung stellt etablierte wissenschaftliche Theorien in Frage und präsentiert einen alternativen Blick auf die menschliche Evolution. In der Ausstellung werden auch lebensgroße Skulpturen dieser Homo aquatis gezeigt, die der Künstlers Pompe Hedengren gestaltet hat.

Wir verlassen das Gebäude nach über einer Stunde und fühlen uns, als kämen wir aus einer anderen Welt. Es fällt uns anfangs schwer, nun das Industriemuseum Forsvik richtig einzuordnen. Die Ausstellung hat uns Lichtjahre vom Thema dieses Museums weg katapultiert.

Hier wurden die verschiedensten Produkte aus Gußeisen hergestellt, angefangen von Pfannen bis hin zu Straßenlaternen und Schiffsluken. Die für den Guss benötigten Holzmodelle wurden vom Modellschreiner gebaut. Der Abdruck, den sie im Gusssand hinterließen, wurde zur Form, in die das geschmolzene Metall gegossen wurde. Im Anschluss mussten die Gußeisenteile aus den Formen gelöst und gereinigt werden – insgesamt ein langwieriger, mühseliger und körperlich sehr anstrengender Prozess. In viele der Werkstätten kann man hineinsehen – die ehemaligen Wohnhäuser zumindest von außen betrachten. Heute werden sie als Privatwohnungen genutzt. Auch eine Themenausstellung zur Entwicklung der Straßenbeleuchtung findet sich in einem der Gebäude. Das Thema „Elektrizität“ veränderte so viel!

Da die Gebäude nicht beheizt sind, frieren wir so langsam durch und beschließen nun mit all unseren Eindrücken an Bord zu gehen und die Fahrt über den Viken anzutreten. Dazu müssen wir die letzte Aufwärtsschleuse hinter und bringen. Die Schleuse Forsvik ist teilweise in den Felsen gesprengt. Dadurch hat sie sehr unebene Schleusenwände. Zudem ist es die höchste (Fallhöhe 3,5m) und die älteste (Baujahr 1813) Schleuse des ganzen Göta Kanals.

Nun befindet Jento sich 91,2m über Meeresniveau. Der Kanal windet sich durch den verschnörkelten See, die Wegführung ist sehenswert. Mal zeigen Pfeile an, wo es weitergeht, mal markieren gelbe Sperrtonnen, wo es nicht weitergeht. Teilweise ist der Kanal so eng, dass man fast die am Ufer wachsenden Blaubeeren pflücken könnte.

Als der See sich öffnet, versuchen wir etwas zu segeln, aber der Wind reicht dazu leider nicht. Also laufen wir unter Maschine bis nach Tåtorp, wo die erste „Abwärtsschleuse“ auf uns wartet – wie entspannt ist das denn! Wir sacken ganz sanft in die Tiefe, keine Strudel, keine ausbrechenden Boote – wunderbar! Wir folgen dem Kanal bis nach Vassbacken, einem kleinen malerischen Gästehafen vor einer Brücke. Von dort radeln wir nach dem Essen noch einmal zurück, um die einzige Göta Kanalinsel zu besuchen. Wir befinden uns auf dem sogenannten „Bergkanal“. Hier wurde nicht gegraben, sondern gesprengt. Da das aufwendig und teuer war, ist der Kanal extrem schmal – Begegnungsverkehr ist nicht möglich. Kurz vor Vassbacken machte der Kanal viele Jahre einen recht engen Bogen, vor dem der Gegenverkehr warten musste. Die enge Kurve bedeutete einen weiteren „Stressfaktor“ für die Kapitäne. Um das etwas zu entschärfen wurde zwischen 1930 und 1933 eine Begradigung gebaut. Es blieb zwar eng, aber man konnte den Gegenverkehr zumindest sehen. Dadurch entstand die einzige Kanalinsel.

Der Abend ist total windstill, der Kanal wie ein Spiegel, im Westen reißen die Wolken auf und lassen die Sonne endlich durch – eine magische Stimmung! Wir brechen zu einer kurzen Radtour auf…

Mittwoch, 09.07.2025 – Vassbacken – Töreboda – 6 Seemeilen

Juhu, Sonne! Bereits beim Aufwachen registrieren wir die Veränderung. Die Temperatur ist zwar noch frisch, aber für den Kaffee und die Tageszeitungslektüre auf dem sonnigen Vordeck reicht es. Die heutige Tour ist kurz und relativ „einfach“. Wir müssen nur einige Brücken durchfahren. Wir lassen es ruhig angehen und verlassen fast als Letzte den Hafen. So ist es schön ruhig auf dem Kanal. Nur unser holländischer Nacht-Nachbar fährt mit uns zusammen. Rechtzeitig zum Frühstück erreichen wir unser Ziel. Da Werner heute eine dienstliche Videokonferenz hat, unternimmt Barbara allein mit der Samba-Crew eine Radtour entlang des Kanals. Wir wollen uns die kommenden Schleusen ansehen. Unterwegs kommen wir an einem Bauernmarkt vorbei und kaufen ein – sehr teuer, wie sich herausstellt! Aber zumindest unterstützen wir so die regionale Landwirtschaft!

Auf dem Rückweg fotografiert Barbara die bunten und lustig gestalteten Vogelhäuschen am Kanalrand. Bei einigen stellt sich die Frage, ob dort ein Vogel hineinfliegt…

Abends gibt es ein (erstes) Abschiedsfest mit der Samba-Crew. Wir sind noch nicht sicher, ob wir morgen den ganzen Rest des Kanals machen wollen, oder nach der Hälfte eine Übernachtung einlegen. Samba will morgen bis Sjötorp, dem Ende des Kanals. So essen wir gemeinsam auf Jento und freuen uns an sommerlichen Kaltgetränken – schön war’s mit euch! Und vielleicht sehen wir uns ja schon bald wieder!

Donnerstag, 10.07.2025 – Töreboda – Lyrestad – 7 Seemeilen

Als Barbara morgens die Augen öffnet, wird sie mit den Worten begrüßt: „Nicht die Toilette benutzen, der Schwarzwassertank läuft über“.  Nach dem Morgenkaffee übernimmt Werner die unerfreuliche Putzarbeit in der vorderen Bilge. Dann geht’s direkt zur Entsorgungsstation. Wir lüften kräftig durch und nach der zweiten Reinigungsrunde mit Sagrotan ist alles wieder gut. Da wir nun schon so früh aktiv waren, können wir ja auch gleich starten. Als sechstes Schiff reihen wir uns vor der Brücke Gastorp in die Warteschlange. Der vor uns wartende dänische Segler hält etwas viel Abstand zum Rest der Gruppe und so müssen wir beim Signal „grün“ ordentlich Gas geben, um noch die Brücke passieren zu können. Die nächste Brücke öffnet umgehend, als die Gruppe sich nähert. An der dann folgenden Doppelschleuse von Hajstorp müssen wir aber warten. Die junge Schleusenwärterin nimmt 3 Boote rein. Dann kommen Boote von unten hoch. Als diese die Schleuse verlassen, machen wir uns alle bereit zum Ablegen, aber die vorgelagerte Brücke fährt wieder zu. Wir werden aufgeklärt, dass in ca. 20 Minuten ein Passagierschiff kommt, das Vorrang hat. Unterdessen liegt die „Penelope“ aus dem Kappelner Museumshafen neben uns im Päckchen und wir unterhalten uns angeregt, sodass die Wartezeit verfliegt. Nach dem Passagierschiff kommen dann aber erst wieder Boote von unten an die Reihe und die Wartezeit verlängert sich weiter… Nach drei Stunden fahren wir endlich mit 4 Segelbooten in die Schleuse ein – unser heutiges Schleusenteam besteht aus zwei sklassischen deutschen Booten und zwei dänischen „Joghurtbechern“. Die Schleusenkammer ist optimal ausgenutzt. Das Abwärtsschleusen ist sehr entspannt. Vorne und hinten werden die Leinen langsam entsprechend des absinkenden Wasserpegels gefiert (gelöst). In der ersten Schleusenkammer kann Barbara entspannt von Bord gehen und die Leinen durch die Ringe ziehen. Vor dem letzten Schleusengang steigt sie wieder an Bord und die Leinen werden einfach eingeholt, sobald wir an der Reihe sind, aus der Schleuse zu fahren. Seit knapp einer Woche haben auch die Kindergärten in Schweden Sommerferien, aber auf dem Kanal bleibt es bisher entspannt. Nur ein etwas erhöhtes Motorbootaufkommen fällt uns auf. Um 13:15 Uhr erreichen wir Lyrestad. Hier gibt es einen kleinen Gästehafen mit Waschmaschine. Wir wollen die kostenfreien Waschmaschinen im Kanal noch einmal nutzen und machen fest. Bevor es jedoch an die Waschaktion geht, springen wir an der Badestelle erstmal in den Kanal – sehr erfrischend (knapp 20 Grad)!

Dann startet Barbara die Waschaktion: drei Maschinen haben sich angesammelt. Dank eines vorhandenen Trockners ist die erste Maschine mit der Bettwäsche rechtzeitig zum Abend fertig! Später legt noch eine schwedische Vindö 32 an und komplettiert den hübschen Anblick von drei Klassikern am Westende der Pier.

Für den Abend haben wir uns mit Anja und Thomas von der Penelope zum gegenseitigen „Open Ship“ verabredet. Die Penelope ist das Schwesterschiff zur Capella, dem Segelboot, auf dem bei einer Männertour vor 13 Jahren bei Werner die Idee für ein eigenes Boot entstand. Beide Boote wurden in Kappeln bei Henningsen & Steckmest gebaut und von dessen Mitgründer Jörn Henningsen gezeichnet. Für uns ist es daher etwas ganz Besonderes, dieses Boot hier zu treffen. Erinnerungen werden wach und gemeinsame Bekannte finden sich im Gespräch – wieder ein schöner Abend!

Freitag, 11.07.2025

Morgens spazieren wir mit dem Kaffee in der Hand zur Vindö 32 und kommen mit den jungen Schweden ins Gespräch. Das Eignerpaar wohnt in Stockholm und hat das Boot in den Westschären gekauft – in „Hunnebostrand“, jenem Hafen, in dem auch wir auf der Suche nach unserem Boot eine Vindö 45 besichtigten. Werner hätte damals das Schiff dort gerne gekauft, nur um die Überführung in diesem schönen Revier zu beginnen…

Nun wollen die jungen Leute ihr Boot in den Stockholmer Schärengarten überführen. Auch mit ihnen gibt es ein „Open Ship“ und den Austausch von Tipps für die bevorstehende Route, bevor wir ablegen. Bis zum letzten Hafen „Sjötorp“ im Götakanal sind es nur 3 Seemeilen, 5 Brücken, zwei Doppel- und eine Einzelschleuse. Heute läuft es ohne Wartezeit und so machen wir schon um halb zwölf und damit passend zum Frühstück fest. Es ist bestes Wetter und so beschließen wir eine Radtour nach Mariestad zu unternehmen. Es stellt sich jedoch leider heraus, dass es keine direkte Radverbindung gibt, zumindest keine direkte, wenn man nicht auf stark befahrener Landstraße fahren möchte. Barbara sucht mit Hilfe von Komoot einen Schleichweg heraus, der in Teilstrecken allerdings eher als „Cross-Country“ bezeichnet werden kann. Es geht über Felder und wir stehen mehrmals vor Toren, die den Weg versperren, sich aber zum Glück öffnen lassen. Nach 33 Kilometern erreichen wir das kleine Örtchen Mariestad und genießen erstmal ein Kaltgetränk am Hafen.

Dann machen wir noch einen Abstecher zum Dom, der geradezu monströs über den kleinen Häuschen des Ortes auf dem Hügel thront. Auffällig sind die unverputzten Außenmauern aus Feldsteinen. Die nachträgliche Google-Recherche erklärt den Grund für den Dombau und die Namensgebung:

„Eigentlich sollte es in Mariestad angesichts der Nähe zu Skara keine Domkirche geben. Dass sie dennoch hier gebaut wurde, war Teil des Machtkampfes um die Königswürde und die Zukunft der Kirche zwischen den Söhnen von König Gustav Vasa. Eine Domkirche ist normalerweise die zentrale Wallfahrtsstätte eines Bistums mit einem Bischof – nicht aber die Domkirche von Mariestad. Diese hatte stattdessen zu Beginn des 17. Jahrhunderts für einige Jahrzehnte einen sogenannten Superintendenten, der in vielerlei Hinsicht wie ein Bischof fungierte. Der Superintendent entsprach ganz dem kirchlichen Vorbild anderer Reformationsbewegungen in Europa. Da die Kirche in der Vergangenheit eine Domkirche war, behält sie diesen Titel bis heute.“ (https://www.svenskakyrkan.se/mariestad/die-geschichte-der-domkirche-von-mariestad)

Benannt wurden Kirche und Stadt von Herzog Karl nach seiner ersten Frau Marie. Die Kirche wurde in nur 24 Jahren errichtet, allerdings mehrfach zerstört: durch ein verheerendes Feuer, durch den Einsturz des danach wahrscheinlich zu schnell errichteten Turms und durch Blitzschlag. Sie war in der Folge eine der ersten Kirchen, die einen Blitzanleiter bekam.

Für den Rückweg haben wir beschlossen, ein Teilstück auf der stark befahrenen Landstraße zu absolvieren, um so 10 Kilometer Fahrstrecke einzusparen. Zu Beginn führt uns ein Radweg entlang der Bahnroute Mariestad – Lyrestad – wunderschön, so könnte es weitergehen. Der Weg wurde mit EU-Mitteln realisiert, vielleicht gibt es irgendwann eine Fortführung, heute endet er kurz vor dem Ort Hasslerör. Dort kommen wir an einer Bushaltestelle der Line Mariestad – Sjötorp vorbei. In wenigen Minuten soll ein Bus kommen, vielleicht haben wir Glück und wir können samt Rädern mitfahren. Leider lehnt der Fahrer den Radtransport ab, also müssen wir nun auf die Landstraße. Dort brettern PKW, LKW, Wohnmobile und Motorräder an uns vorbei – sehr beängstigend. Barbara entdeckt zumindest für Teilstücke Ausweichmöglichkeiten, die wieder abenteuerlich durch die Landschaft führen. Aber alles ist besser, als Landstraße ohne Seitenstreifen oder Radweg.

Wir kommen nach gut 20 Kilometern unbeschadet aber kaputt am Boot an. Am Ende waren es 55 Kilometer, überwiegend auf Schotter. Ohne unsere großen Moutainbikes wäre das nichts geworden.

Abends gibt es Frikadellen mit Kartoffeln und reichlich brauner Soße – wohlverdient, und zum erneuten Abschied ein Kaltgetränke mit der Samba-Crew in unserem Cockpit.

2 Antworten

    1. DAAAANKE! Schade, dass sich unsere Kielwasser nicht gekreuzt haben, aber was nichtg ist, kann ja noch werden!

      Liebe Grüße von der Jento Crew

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