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#1 Wir brechen auf!

Langballigau, Søby, Ærøskøbing, Rødby, Warnemünde

Donnerstag, 16.05.2024

Nach gefühlten endlosen Vorbereitungen und Besorgungen legen wir morgens um 9:00 Uhr in unserem Heimathafen Langballigau ab. An der Brücke winkt uns eine Gruppe lieber Familienmitglieder und Freunde zum Abschied. Eigentlich lädt das Wetter nicht dazu ein, sich auf den Weg nach Osten zu machen. Zwar scheint sie Sonne von einem tiefblauen Himmel, aber der Wind bläst recht kräftig aus „OSTEN“! Durch eine Coronaerkrankung (ja, gibt es noch) vor 2 Wochen, verzögerten sich die letzten Bootsarbeiten, die insbesondere am Motor noch erledigt werden sollten. So hatten wir bisher nur für eine kurze Motortestfahrt den Hafen verlassen – alles schien zu funktionieren.

Nun kam die diesjährige Segelpremiere – und das bei 6 Windstärken. Für uns und unser Boot kein Problem, man kann ja entsprechend reffen… Genau hier kam es dann aber zum Problem: wir hatten doch tatsächlich einen totalen Anfängerfehler gemacht und die Rollreffanlage der Genua falsch aufgewickelt! Also ging es unter ungereffter Genua erstmal in den Windschutz des Skeldevigs, wo wir das Großsegel bargen, die Genuaschot lösten und unter Motor so lange im Kreis fuhren, bis sich die Genua auf eine angenehme Größe um das Vorstag gewickelt hatte („Segelballett“). Um das Problem komplett zu lösen war es schlichtweg zu windig. Bei dieser Gelegenheit stellten wir dann fest, dass unser Motor kein Kühlwasser spukte, also hieß es die Maschinenlaufzeit so kurz wie möglich zu halten…

Der Törn ging nun mit der dem Wind angepassten Segelfläche entspannt weiter, allerdings nur bis nach Sonderborg, um dort die Probleme richtig zu lösen. Vor dem Hafen fuhren wir erneut ein paar „Ehrenrunden“, bis die Genua komplett aufgewickelt war und fanden eine Box mit der Nase zum Wind, wo wir ohne Probleme die Genua ausrollen und die Reffleine neu wickeln konnten. Unterdessen hatte sich unser „Jockel“ von allein um das Kühlwasserproblem gekümmert: der Auspuff spuckte wieder.

Die Erkenntnis des Tages: Probefahrten und ausgiebiges Testen machen Sinn!

Freitag, 17.05.2024

Irgendwie steckt uns noch der Tagesrhythmus des Berufslebens in den Knochen. Wir sind beide früh wach. Auch verspricht die Windvorhersage kräftigen bis stürmischen Wind aus Ost – aber nun können wir ja problemlos reffen! Wir wollen zum Vindötreffen nach Ærøskøbing und hoffen auf leichte Winddrehung, damit wir mit wenigen Kreuzschlägen auskommen. Anfangs weht es deutlich weniger als „versprochen“. Wir kommen gut voran und wähnen uns im Geiste schon beim abendlichen Vindöschnack. Vor Drejby schwächt sich der Wind ab und Jento stampft sich in alter See fest – das währt nicht lange, schon bald ist der Wind zurück, er hat nur Luft geholt! Als endlich die Nordspitze von Ærø querab liegt, zeigt die Windanlage Böen mit 30 Knoten (für alle Nichtsegler, Windstärke 7) – definitiv ungemütlich auch aufgrund einer unangenehm steilen Welle. Wir lassen unser Ziel fahren und laufen in Søby ein. Auch hier legen wir uns mit der Nase in den Wind und genießen einen sonnigen Abend im windgeschützten Cockpit. Als der urige Hafenmeister zum Kassieren des Hafengeldes kommt, bekommen wir aber schelmenhafte Schelte für die Wahl unseres Liegeplatzes. Haben wir Jento doch einfach längsseits der Brücke vertäut, obwohl man hier in Boxen anlegen soll! Aber jetzt in der Vorsaison drückt er ein Auge zu und lässt uns liegen, wohlwissend, dass ein Verholen bei diesem Wind wenig Sinn macht. Er kann aber nicht umhin, uns das Versprechen abzunehmen, entweder morgen weiterzusegeln oder aber das Boot zu verholen.

Samstag, 18.05.2024

Der Sturm hat sich gelegt, es pfeift nicht mehr in den Masten und einer entspannten Weiterfahrt nach Ærøskøbing steht nichts mehr im Wege. Die Windrichtung hat sich nicht großartig geändert Nord-Ost und damit weiterhin von vorn, aber es ist nicht weit. Nach 3 Kreuzschlägen und nach knapp zwei Stunden laufen wir in den alten Hafen des malerischen Ortes ein. Dort warten schon 3 Vindös auf uns und es gibt reichlich Hände, die beim Anlegen helfen. Im Laufe der nächsten Stunden trudelt eine Vindö nach der anderen ein. Segelfreund „Anders“ hatte uns Liegeplätze an der Ostmole reserviert. Es ist eine Freude die liebevoll gepflegten und herausgeputzen „Alten Damen“ zusammen an der Pier liegen zu sehen. Viele haben über die Toppen geflaggt und es bleiben nicht wenige Schaulustige stehen und fragen nach dem Grund der hübschen „Parade“. Der Nachmittag gehört dem „Open Ship“. Wer möchte, kann sich die verschiedenen Schiffe ansehen. Es gibt keine zwei Vindös in identischer Ausbauvariante. Alle sind den Wünschen der Ersteigner entsprechend gebaut worden und im Laufe der Jahre in Details verändert worden. Eines verbindet uns alle, das Fachsimpeln über Vindö-spezifische Probleme: wie wird am besten lackiert, welche Macken haben die alten Motoren, wie restaurieren wir das 40 Jahre alte Teakdeck und was macht die Technik an Bord… Abends wird gemeinsam im Zelt gefeiert. 

Sonntag, 19.05.2024

Heute ist Pfingstsonntag – die Glocken der kleinen Kirche des malerischen Ortes bimmeln fast eine Stunde ununterbrochen und rufen uns mit leicht verkaterten Köpfen aus der Koje. Heute ist es fast windstill und die Sonne lacht. Wir brechen mit den Rädern auf zu einer Inspektionsfahrt zu den Badehäusern zur Besichtigung verbliebener Sturmflutschäden. Die wunderhübschen Wahrzeichen Ærøs haben es hier gut überstanden, aber der angrenzende Damm zur Halbinsel Urehoved ist wohl komplett überspült worden und die Straße teilweise zerstört. Die Bucht vor den Badehäusern ist sehr flach und das Wasser hat sich schon etwas erwärmt. Werner traut sich und badet an! 

Gesetzt ist in Ærøskøbing eigentlich immer ein Besuch des „Gammle Købmandsgaard“ zu einem „Valnød“ (Walnuss) – Bier. Aber der hat sonntags noch nicht geöffnet – Vorsaison. So holen wir uns das Bier im Supermarkt und sammeln unterwegs noch leckere Zutaten für ein kleines „Anretning“ im Cockpit der Möve-Crew ein. Nachmittags liegen erneut kleinere Reparaturen an – das (unsägliche) Thema „Abwasser an Bord“… Die neue elektrische Pumpe arbeitet nicht so, wie sie soll… Aber dieses Thema vertiefen wir mal lieber nicht…

Abends werden auf der Pier die Tische zusammengeschoben, gemeinsam gegrillt und ausgiebig Seemannsgarn gesponnen, man hört eine Mischung aus Deutsch, Dänisch und Englisch und viel fröhliches Lachen. Vielen Dank allen, die dabei waren für diese schönen Stunden!

Erkenntnis des Wochenendes: Vindö segelnde Menschen sind fröhlich, zupackend und trinkfest

Montag, 20.05.2024

Heute heißt es Abschied nehmen. Viele Crews müssen zurück zur Arbeit, einige gehen weiter in eine Woche Pfingsturlaub und wieder andere starten auf die „große“ Tour! Wir wollen uns heute zumindest ein Stückchen nach Osten vorarbeiten – trotz Ostwind. Durch die Inselwelt der dänischen Südsee rauschen wir ganz ohne Welle vorbei an der kleinen malerischen Insel Birkholm, dem Hafenstädtchen Marstal und dann heraus aus den seichten Gewässern entlang der Insel Langeland. An der Südspitze hinter Bagenkop dreht der Wind auf Südost verlässt uns kurz darauf ganz, das Dieselsegel kommt raus  und wir motoren über eine plötzlich bleierne Ostsee. Wir diskutieren kurz unsere Möglichkeiten: Segeln wir in den aus Fernsehkrimis bekannten malerischen Hafen Orth auf Fehmarn und morgen bei Gegenwind bis Warnemünde, oder sollen wir uns lieber nördlich halten zum wenig einladenden Industrie- und Fährhafen Rødbyhavn. Diese böte die Möglichkeit ohne Kreuzschläge nach Warnemünde zu gelangen… Wir entscheiden uns für Letzteres! 

Nach 2 Stunden unter Maschine kommt ein Schiff von Fehmarnbelt-Control an unsere Seite und weist uns freundlich darauf hin, dass wir bei diesem Kurs auf das Sperrgebiet vor dem Hafen Rødbyhavn treffen würden. Sie laden uns ein, unseren Kurs zu ändern und ihnen zu folgen – das nennt man Service! 

Screenshot

Dienstag, 21.05.2024

Auch wenn der Hafen von Rødbyhavn wenig Attraktivität für Segler bereithält, haben wir hier eine recht ruhige und erholsame Nacht im Westhafen verbracht. Der Nordhafen wird wegen des Baus des Fehmarnbelt-Tunnels stark von der Berufsschifffahrt genutzt. Hier liegen die Versorgungs-und Transportboote für die verschiedenen Wasserbaustellen und es gibt rege Ein- und Ausfahrt. Im Westhafen lagen wir mit 4 Segelbooten recht geschützt. Auch wenn der Hafen wenig Charme versprüht, verfügt er über sehr gepflegte Sanitäranlagen – die heiße Dusche ist im Hafengeld inkludiert. Bei einem kleinen Landgang fanden sich sowohl schöne als auch skurrile Fotomotive…

Nach dem obligatorischen Kaffee, legten wir ab mit dem Ziel Warnemünde – ein Stück Richtung Osten trotz Ostwind! Windfinder hatte uns 18 Knoten aus Ost-Nordost mit Böen von maximal 24 Knoten versprochen. Das vorsorglich gereffte Groß setzten wir schon im Hafen und passten eine Lücke zwischen den Fähren ab, um auszulaufen. Der wahre Wind vor dem Hafen lag dann allerdings doch deutlich höher bei beständigen 24 Knoten und Böen bis 27 Knoten. Auch die Welle war nicht von schlechten Eltern, wir schätzten sie auf 2 bis 2,5 Meter.

Wir setzen am Ende der Sperrzone den Kurs auf Warnemünde – hoch am Wind und mit der Welle in ungünstigem Winkel stampfte Jento sich immer wieder fest und lief nur knappe 4 Knoten – Frust kam langsam auf, sollten wir für die gut 40 Seemeilen wirklich über 10 Stunden dieses Geschüttel ertragen? Da knisterte unser Funkgerät. Der Däne wies uns darauf hin, dass wir bei diesem Kurs der Sperrzone um eines der Baggerschiffe zu nahe kommen würden, noch mehr Höhe konnten wir nicht laufen, also drehten wir um, liefen eine Seemeile zurück und umrundeten das Bagger-Sperrgebiet. Nun meldete sich ein deutscher Kollege von Fehmarn-Control und assistierte mit dem weiteren Kurs, um auch mit der Berufsschifffahrt in der zu kreuzenden Fahrrinne keine Probleme zu bekommen. Nach einer halben Stunde verabschiedete er sich von uns und wünschte eine gute Weitefahrt – noch eine gute Erfahrung mit FEHMARN-CONTROL!

Erfreulicherweise drehte der Wind auf Nordost, so dass wir mit entspanntem 60 Gradwinkel zum Wind nun Warnemünde anliegen konnten. Trotz Gegenstrom lief Jento nun beständig zwischen 5,5 und 6,5 Knoten – so macht das Segeln Spaß! Nach 7h 45 Minuten liefen wir in „Hohe Düne“ ein und fanden problemlos einen Platz mit Aussicht auf die großen Pötte (Fähren, Kreuzfahrer, Frachtschiffe), die aus Rostock auslaufen.

Erkenntnis des Tages: Melde im Fehmarnbelt dein Reiseziel bei Fehmarn-Control an und du hast keinen Stress mit der Baustelle und der Berufsschifffahrt

27 Antworten

  1. Wir wollen Beweisfotos von Werner beim Baden sehen.????
    Die Sperrgebiet Erfahrungen klingen wild. Habt eine gute Weiterfahrt ☀️

    1. Leider gibt es keine Fotos, werden bei nächster Gelegenheit nachgeholt. Euch viel Spaß in Spanien, dort ist es einfacher ins Wasser zu kommen – aktuell bestimmt 8 Grad Temperaturunterschied 😉

    1. Schicke mal wieder Bilder von deinen Abenteuern, wo bist du gerade in der Welt? Schade, dass ein Treffen in München nicht klappt, dafür sind wir zu weit im Norden!

  2. Ich stand bei Eurer Abfahrt noch im Hafen oben auf dem Turm und habe mich als Nicht-Segler gewundert, dass Ihr bei dem Wind (Böen bis 8) unter vollen Segeln ‚gen Dänemark unterwegs ward. Während Du, Werner, das Vorsegel runtergelassen hast, war Barbara am Groß ’schwer am wühlen‘; nun verstehe ich auch warum!
    Toll geschrieben, Euer Bericht; da warte ich doch schon auf den nächsten.

  3. Eure Reise begann ja wirklich spektakulär!! Weiterhin gute Weiterreise. Danke, dass wir auf diese Weise an eurem Abenteuer mit teilhaben dürfen.
    Wir freuen uns auf viele weitere Reiseberichte.
    Babsch

  4. Moin, ihr zwei. Macht spass, mit euch auf reisen zu gehen. Habe gerade Kaffee gekocht und beame euch einen rüber. Lg

  5. Hallo Werner & Barbara,
    ihr macht das richtig ????. Das ist ein toller Törnbericht, echt interessant. Gegen den Wassereinbruch bei den Püttings empfehle ich zum Abdichten den Konstruktionsklebstoff MS-3000/60 V2.
    SVB – Artikel Nr. 19349
    https://www.svb.de/de/marken/pantera.html
    SVB liefert auch in Häfen weltweit
    Weiterhin gute Fahrt ⛵️, viele Grüße, Jens

  6. Hey Seebären, danke für die Einladung in den Blog. Toll euch begleiten zu können.
    Ganz liebe Grüße aus FL und erlebnisreiche , freudenvolle Weiterfahrt!
    P.S.: Muss mir wohl ein Seefahrerwörterbuch zulegen ????.
    Liebe Grüße, Andrea

    1. Hi Andrea, danke, aber du brauchst dir keine Fachbegriffe über ein Wörterbuch heraussuchen, einfach überlesen – das ist eh nur Seemannsgarn, dass wir da spinnen, 😉 genieße die Bilder 😉

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