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#45 Vom Süßwasser zurück ins Salzwasser

Der Vänern verwöhnt uns auch in den letzten Tagen mit bestem Wetter. Unter Blister segeln wir gemächlich Richtung Vänersborg. Mehrmals lassen wir uns an der langen Leine hinter dem Boot durchs Wasser ziehen – die perfekte Erfrischung und ein leiser Protest gegen den Abschied vom See. Wirklich loslassen wollen wir noch nicht.

Doch der Blick auf den Wetterbericht kündigt Veränderung an: Die vertraute, frische Westströmung soll bald wieder die aktuelle warme Ostströmung ablösen…

Samstag 19.07.2025 – Dalbergsån – Ankerplatz Matskämman Hamn (58°33.328’N – 12°33.254’E) – 4 Seemeilen

Schon morgens begrüßt uns ein weiterer Hochsommertag und es zieht uns in eine nahegelegene Ankerbucht. Da wir allerdings dort sehr schlechte Internetverbindung befürchten, arbeiten wir vormittags im schattigen Salon am Bericht und laden ihn zur Sicherheit auch schon hoch. Dann laufen wir bei absoluter Flaute unter Maschine in die nur vier Seemeilen entfernte Bucht. Penelope ist uns bereits vorausgefahren und ankert im hinteren Bereich. Wir legen uns in die Buchteinfahrt und hoffen, hier etwas erfrischenden Wind abzubekommen. Die sehr leichte Brise weht in die Bucht, sodass wir auf „Legerwall“, also mit auflandigem Wind ankern – etwas, was man „eigentlich“ als Segler vermeidet. Aber die Windvorhersage für Tag und Nacht ist so schwach, dass wir uns darum keine Sorgen machen – den Ankeralarm setzen wir natürlich trotzdem. Werner pumpt das SUP auf und so kann Barbara erstmals auf dieser Tour eine kleine Fitnessrunde damit absolvieren. Es geht aus der Bucht heraus auf das „große Wasser“ und einmal um die benachbarte Schäre herum. Wir baden mehrfach und genießen die Erfrischung im Süßwasser – mit der richtigen (umweltfreundlichen) Seife ersetzt das sogar die Dusche! Barbara begibt sich für den Dessert zur Blaubeerernte an Land und den Abend verbringen wir leicht bekleidet bei Buch bzw. Hörbuch im Cockpit.

Sonntag, 20.07.25 – Ankerplatz Matskämman Hamn (58°33.328’N – 12°33.254’E) – Vänersborg – 13 Seemeilen

Die Windvorhersage lässt uns eine Motorfahrt nach Vänersborg befürchten, aber als wir die Bucht verlassen, weht doch ein Lüftchen und wir setzen Groß und Blister. Wieder ist es hochsommerlich warm. Jento bewegt sich dank mitsetzenden Stroms mit ca. 3 Knoten in Richtung Süden. Wir nutzen die Gelegenheit und binden einen Fender als Auftriebskörper an einen unserer langen Heckfestmacher. Dann lassen wir ihn zu Wasser und Werner springt direkt hinterher. Nach dem Auftauchen heißt es nach der Leine greifen und sich vom Boot ziehen lassen – herrlich! Natürlich bleibt immer einer von uns an Bord! Kaum sitzt man nach dem erfrischenden Bad eine halbe Stunde im Cockpit, gelüstet es einen schon nach dem nächsten Sprung ins Wasser. So vertrödeln und genießen wir unseren letzten Tag auf dem Vänern.

In Vänersborg legen wir uns außen an die Gästebrücke, um zumindest etwas Wind zur Erfrischung zu erhaschen – der restliche Hafen liegt im Windschatten mehrstöckiger Häuser. Das Sonnensegel wird aufgezogen, die Fahrräder auf die Brücke gehoben und aufgebaut – unser Kühlschrank ist nahezu leer. Die „Vorratsmilch“ ist aufgebraucht und auch an frischem Gemüse, Fleisch und Nudeln fehlt es: ein Großeinkauf bei Lidl steht an. Doch zuvor fahren wir zum ICA und geben unsere schwedischen Pfandflaschen und -dosen zurück. Der dortige Pfandautomat versetzt uns ins Staunen: Das Leergut wird wie in eine Mülltonne entleert und der Automat sortiert und errechnet den Pfandgutschein – genial! Der Supermarkt ist klimatisiert und wir genießen es, einmal heruntergekühlt zu werden. Wir kaufen die Restbestände an großen Selterflaschen auf und bringen diese schon mal an Bord.

Dann geht’s zum etwas weiter entfernten Lidl. Die Augen sind größer, als die Rucksäcke und so muss jeder noch eine große Einkaufstasche zusätzlich transportieren. Barbara ist es zu heikel, damit zu fahren, weshalb sie den Rückweg schiebend absolviert.

Nach einer Fikapause mit reichlich Apfelschorle, starten wir auf eine kleine Fahrradtour entlang des Trollhättan Kanals. Wir wollen uns die Situation in der ersten Schleuse und vor der ersten Brücke einmal aus der Nähe ansehen. Dieser Kanal ist definitiv mehr auf die Großschifffahrt ausgerichtet. Für die „Yachtis“ gibt es deutlich weniger Möglichkeiten, an Wartepositionen festzumachen. Die vorhandenen Brücken sind sehr hoch und es erfordert einige Kletterei, dort die Leinen zu befestigen. Aber es ist machbar. Auch in den Schleusen ist die Situation deutlich anders, als im Göta Kanal. Zwar strömt das Wasser durch den Boden zu oder ab, was erheblich weniger Sog und Strömung in der Schleusenkammer bedeutet, aber es gibt nur sehr begrenzte Möglichkeiten, das Boot zu befestigen.

Gut informiert treten wir den Rückweg an, springen zur Abkühlung nochmals in Wasser und genießen ein leckeres Abendessen im Cockpit (Wraps). Anschließend feiern wir dann mal wieder Abschied. Diesmal geht es an Bord der Penelope. Da es dort Probleme mit der Batterie gibt, werden sie in Vänersborg bleiben, bis Ersatz gefunden ist. Gemeinsam leeren wir Wein- und Bierflaschen und spinnen Seglergarn – Danke an Anja und Thomas für einen wunderschönen Abend!

Montag, 21.07.2025 – Vänersborg – Trollhättan Akerssjö – 10 Seemeilen

Nach dem Morgenkaffee verstauen wir die Räder an Deck – Jento sieht langsam aus wie ein Lastenkahn. Seit der letzten Ankerbucht fahren wir das Dinghi auf dem Vordeck und nun schnallen wir die Räder an den Großbaum. Wenn das Barbaras Vater „Klaus“ sehen würde! Bevor es zur ersten Brücke geht, ist noch ein Stopp an der Servicebrücke angesagt – Schmutzwasser abpumpen!

Vor der ersten Brücke wartet bereits ein Segler. Wir machen uns ebenfalls an der hohen Wartebrücke fest. Als sich insgesamt vier Boote eingefunden haben, wird die Brückenöffnung angezeigt. Bis zur einzigen Schleuse heute sind es ca. zwei Seemeilen. Dort müssen wir etwas warten, bis aufwärts schleusende Boote ausfahren. Die linke Seite der Schleuse ist gemauert, während auf der rechten Seite sich schmale Mauerstücke mit großen Flächen von Naturfels abwechseln. Aus diesem Grunde war uns empfohlen worden, an der linken Seite festzumachen. Wir haben sehr lange Leinen vorbereitet, die wir über den oberen, in die Mauer eingelassenen Poller legen. Unter Wasser senkrecht darunter befinden sich weitere Poller, auf die man mit der Leine wechseln kann, wenn der Wasserspiegel sinkt. Das ersparen wir uns durch unsere langen Leinen. Es funktioniert bestens. Man muss nur beim Durchholen der Leinen am Ende des Schleusungsvorgangs vorsichtig sein und nicht zu heftig ziehen, damit sich das Leinenende nicht irgendwo verknotet.

Der gesamte Trollhättan Kanal ist 82 Kilometer lang, wobei die Bezeichnung etwas irreführend ist, denn nur 10 Kilometer dieser Strecke sind künstlich angelegter Wasserweg. Auf der weitaus längeren Strecke führt der Wasserweg auf dem Fluß Götaälv. Bis nach Trollhättan ist es nicht weit, aber es wird sogleich deutlich, dass der Trollhättan Kanal wenig mit dem malerischen Göta Kanal gemein hat: Wir passieren am linken Ufer einige Industrie- und Gewerbeanlagen und den Flughafen von Trollhättan. Auf der rechten Seite ist es hübscher, also Augen nach rechts! Vor dem Innenstadthafen muss noch eine Brücke durchquert werden. Es handelt sich um eine Eisenbahnbrücke. Die Öffnung ist vom Zugfahrplan abhängig und längere Wartezeiten sind möglich. Wir machen daher an der neuen Wartepier fest. Einen Hinweis, dass hier Yachten festmachen können gibt es nur an der dahinter direkt am Ufer verlaufenden alten Holzpier, die nun aber unerreichbar ist. Wir müssen nicht lange warten, dann wird die Öffnung der Brücke angekündigt. Diesmal haben wir es mit einer Hubbrücke zu tun. An den seitlichen Pfeilern kann man die jeweilige Durchfahrtshöhe ablesen. Schon bei ca. 15m legen die ersten Segelboote den Gang ein und preschen los. Das die Durchfahrt noch nicht freigegeben ist, interessiert die Schweden dabei wenig.

Da wir ja nun schon alle Einkäufe erledigt haben, wollen wir gleich weiterfahren bis zum kleinen Gästehafen direkt an der Schleusentreppe von Trollhättan. Dazu müssen wir noch zwei weitere Brücken passieren, die direkt bei unserer Ankunft öffnen. Im kleinen Gästehafen finden wir einen schönen Platz direkt vor einem Eisladen.

Mit einem Eis in der Hand machen wir uns auf zu einem Spaziergang zur „Oskarsbroen“. Wir haben gelesen, dass man von dort den besten Blick auf die Trollhättan Wasserfälle haben soll, wenn sie täglich um 15:00 Uhr geöffnet werden. Als wir dort ankommen, stehen bereits einige Menschen erwartungsvoll auf der Brücke. Es ist kurz vor drei, als die Nachricht die Runde macht, dass die Fälle heute nicht geöffnet werden. Werner recherchiert und findet auf der Seite von Vattenfall den Hinweis, dass in diesem Jahr keine weiteren Öffnungen vorgesehen sind. Die letzten Öffnungen erfolgten im Rahmen der „Wasserfalltage“ am letzten Wochenende, also gestern… So schade! Hätten wir das gewusst, wären wir einen Tag früher hergekommen! So nutzen wir den Nachmittag für einen Spaziergang entlang der Wasserkraftwerke am Ufer des Götaälv und zu den verschiedenen Schleusentreppen von Trollhättan.

Die Schleusentreppen von Trollhättan:

Schon vor Jahrhunderten bot der Götaälv eine Möglichkeit, Waren mit Schiffen zu transportieren. Problematisch waren die Stromschnellen hinter Vänersborg und bei Lilla Edit sowie der 32m hohe Wasserfall bei Trollhättan. Die ersten Pläne, den Fluss durchgängig schiffbar zu machen, stammen aus den 1520er Jahren. 1607 wurde die erste Schleuse zur Umgehung der Stromschnellen von Lilla Edit eingeweiht. Bereits 1710 erhielt der Ingenieur Christopher Polhem den Auftrag, Pläne für eine Schleusentreppe neben dem Bett des Götaälv bei den Trollhättan Wasserfällen zu erstellen. Der Bau wurde begonnen – aber nicht vollendet, weil es zum einen bei einem Unwetter zu einem Unglücksfall kam, zum anderen die finanziellen Mittel anderweitig benötigt wurden. Letztlich wurde zwischen 1793 und 1800 die erste funktionsfähige Schleusentreppe mit 13 Stufen linksseitig des Flusses in den Fels gebaut. Sie galt zu ihrer Zeit als das 8. Weltwunder. Nach dem Bau des Göta Kanals mit größeren Kammern, wurden auch an dieser Stelle größere Schleusenkammern benötigt. Die zweite Schleusentreppe mit 9 Kammern wurde 1844 in Betrieb genommen. Die aktuell in Benutzung befindliche Schleusentreppe stammt aus dem Jahr 1916 und bewältigt die Höhendifferenz nun mit nur vier Schleusen. Hier können Schiffe mit einer Länge bis zu 88m und einer Breite bis 13m geschleust werden.

Auch heute hat der Wasserweg eine große wirtschaftliche Bedeutung für Schweden. Größere Schiffe und das Alter der aktuellen Schleusen führten bereits 2016 zu Überlegungen zum Bau einer neuen, vierten Schleusentreppe. Mit dem Bau soll 2027 begonnen werden, die Fertigstellung ist für 2030 bis 2032 geplant. Dann können Schiffe bis 110m Länge und 16m Breite geschleust werden.

Das gesamte Areal der alten Schleusentreppen ist ein parkähnliches Gelände und für jeden frei zugänglich. Die Schleusen sind ein Besuchermagnet und das nicht nur für Touristen. Auch Einheimische nutzen das Gelände für den Abendspaziergang, Joggingrunden und als Picknick- und Badestelle. Auf der rechten Uferseite des Götaälv schließt sich zudem ein Naturschutzgebiet mit verschiedenen Wanderwegen an. Wir beschließen, hier noch einen Tag zu bleiben!

Unser Liegeplatz liegt nicht nur vor einem Eisladen, sondern auch direkt unterhalb des „Slusscafé“, in dem es die größten Krabbenbrötchen geben soll. Das müssen wir natürlich einmal testen, bevor wir uns im Anschluss den restlichen Ort Trollhättan mit den Rad anschauen.

Dienstag, 22.07.2025 – Hafentag Trollhättan

Sowohl in der Nacht, als auch am frühen Morgen werden große Schiffe der Berufsschifffahrt geschleust. An unserem aktuellen Liegeplatz am Beginn der Schleusentreppe von 1844 sind wir hautnah dabei und nutzen die Gelegenheit natürlich auch, um uns das Schauspiel anzusehen. Barbara möchte aber auch noch einen Fahrradausflug zu den Tafelbergen bei Vänersborg unternehmen. Diese bilden ein Naturschutzgebiet an der Südspitze des Vänern, in dem eine ansehnliche Elchpopulation lebt und besondere geologische Formationen sichtbar werden. Werner steht bei der Hitze weniger der Sinn nach Radtour und so gehen wir heute mal getrennte Wege.

Die Radtour führt Barbara anfangs entlang des Trollhättan Kanals, biegt dann (leider) ab, um Industrie- und Gewerbegebiete sowie das Flughafengelände zu passieren. Nach 15 Kilometern ist der Fuß des Tafelberges „Hunneberg“ erreicht. Der hier als sehenswert angekündigte Wasserfall ist leider saisonbedingt recht übersichtlich. Die Steigung ist kurz aber knackig: wer sein Fahrrad liebt, der schiebt… Im Besucherzentrum bekommt man Information zum Naturschutzgebiet und Kartenmaterial. Außerdem wird man direkt von einem Elch begrüßt – leider ausgestopft. Die Größe ist dennoch beeindruckend.

Auf ihre Frage, wie die Oberflächenbeschaffenheit der Fahrradwege sei, bekommt Barbara die Information, dass sie überwiegend gut mit einem Tourenrad zu befahren sind. Von einer Benutzung mit dem Rennrad wird abgeraten. Am besten sei die Straße, die auch für den Autoverkehr freigegeben ist. Das erste Ziel ist eine Waldlichtung mit der ältesten Eiche des Gebietes. Dahin führt die „Autostraße“. Anfangs asphaltiert, dann als Schotterpiste. Beim Blick in die Landschaft ist Barbara kurz unaufmerksam, der Vorderreifen gerät im losen Schotter am Fahrbahnrand ins Rutschen und Barbara findet sich der Länge nach auf der Straße wieder. Der Schreck ist groß: ein paar Prellungen, Schürfwunden und in die Höhe schießendes Adrenalin. Zum Glück kommt just in diesem Moment eine nette Schwedin im Auto vorbei, hält an und unterstützt bei der ersten Wundversorgung mit ihrer Wasserflasche. Bei der Reinigung einer kleinen Gesichtswunde, legt Barbara sich kurz schlafen, was dazu führt, dass die nette Schwedin sie nicht allein lassen möchte. Gemeinsam werden ein paar Momente im Schatten eines Baumes verbracht und ein freundliches Gespräch geführt an dessen Ende Barbara mit dem Auto zu ihrem ersten Ziel gefahren wird. Dort angekommen, stärkt sie sich mit Wasser Brot und „Baumenergie“, um dann den Rückweg zum Fahrrad zu Fuß anzutreten. Die Bewegung tut gut und so beschließt sie, die geplante Runde wieder aufzunehmen. Der weitere Weg führt durch Feuchtgebiete und moosige Wälder, vorbei an in der Sonne tanzenden Schmetterlingen, einem neu angelegten See mit skurrilen Baumskeletten und zu einem Aussichtspunkt über die Ebene. Leider versagt irgendwann der Akku von Handy und Powerbank, sodass der Rückweg auf bekannter Strecke erfolgen muss.

Währenddessen erkundet Werner ausgiebig das Areal der alten Schleusentreppen, beobachtet die Schleusung großer Schiffe und genießt „ausgestreckt“ das Cockpit.

Zurück am Boot wird Barbara direkt mit Eis belohnt – hilft bei schlechter Laune genauso, wie bei kleinen Wehwehchen! Dann geht es Baden – die Wunden sind voll mit grauem Staub und müssen erstmal eingeweicht werden. Im Anschluss Desinfektion, Betaisadona Salbe und notdürftige „Verpflasterung“ für die Nacht. Erst als Barbara in Werners Gesellschaft zur Ruhe kommt, merkt sie, wie sehr der Sturz sie mitgenommen hat…

Mittwoch, 23.07.2025 – Trollhättan Akerssjö – Gästebrücke Kungsälv/Festung Bohus – 29 Seemeilen

Nach einer ruhigen Nacht – dank der Notverbände gab es keine Schmerzbeschwerden an den Wunden – legen wir schon vor neun Uhr ab, um in jedem Fall die erste Schleusung zu erwischen. Der Plan geht auf, auch wenn wir als letztes von sieben Schiffen in die Schleuse einfahren. Alle anderen haben „aktiv angestanden“ – eigentlich Barbaras Spezialdisziplin. In der ersten Schleuse sind wir so gezwungen, auf der rechten Seite festzumachen. Das ist hier noch kein Problem, in den kommenden schon. Denn bei den nächsten drei Schleusen ist wieder nur die linke Seite gemauert, rechts findet sich überwiegend Naturfels und wenig Befestigungsmöglichkeit. So bitten wir in der zweiten Schleuse das vor uns liegende norwegische Motorboot zu seinem „Vorboot“ aufzuschließen. Der Eigner ist von dieser Idee wenig begeistert, sieht aber ein, dass die Lücke vor ihm zu groß ist. In dieser Konstellation bewältigen wir dann auch die nächsten zwei Schleusen ohne Probleme. Barbara ist zwar etwas gehandicapt, aber der Schleusungsprozess ist viel einfacher, als aufwärts im Göta Kanal. Die Herausforderung sind hier lediglich die Höhen und die wenigen Befestigungspunkte.

Im Anschluss fahren wir 10 Seemeilen durch das sich immer weiter öffnende Tal des Götaälv, das der Strom über Jahrtausende gebildet hat.

In Lilla Edit müssen wir vor der Schleuse warten, da ein Schleppverband gerade aufwärts schleust. Während wir warten, kommen von hinten sieben weitere Motorboote auf. Wir machen recht weit vorne in der Warteposition längsseits neben einem Schweden fest. Als die Schleuse für die Einfahrt freigegeben wird, drängeln sich die zuletzt angekommenen Boote an schon länger wartenden Booten vorbei. Wir stauen die Boote dann aber so eng, dass tatsächlich alle 14 Freizeitboote in die Schleuse passen – teilweise drei Boote nebeneinander. Wir bekommen eines der drängelnden Motorboote längsseits und stellen im Gespräch fest, dass es sich um ganz nette Schweden handelt – soweit zur Vorverurteilung…

Nach der Schleuse müssen die 4 Segler vor der nächsten Brücke warten, während die Motorboote schon mal die Fahrt fortsetzen können – sie passen alle auch unter der geschlossenen Brücke hindurch.

Jetzt liegen nochmals 18 Seemeilen unter Maschine vor uns, bis wir kurz vor einem aufziehenden Gewitter die kleine Steganlage unterhalb der Festung Bohus erreichen. Ohne nass zu werden, bauen wir fix die Kuchenbude auf und als wir es uns gerade darin gemütlich machen, bricht das Gewitter los. Ein Blitz muss direkt in der Nähe eingeschlagen sein. Zeitgleich mit einem ohrenbetäubenden Knall sieht Barbara ein blaues Ringlicht. Die Regentropfen trommeln auf die Kuchenbude, sodass man kaum das eigene Wort verstehen kann.

Nach dem Abendessen reißt es auf und wir können einen kleinen Spaziergang um die Festung machen, die wir morgen besichtigen wollen.

Donnerstag, 24.07.2025 – Gästebrücke Kungsälv/Festung Bohuslän – Göteborg/Långedrag – 15 Seemeilen

Der norwegische König Haarkon V. Magnusson ließ 1308 die Festung Bohus zur Verteidigung der südlichsten Grenze Norwegens erbauen. Damals verlief die Grenze zwischen Norwegen und Schweden hier am Götaälv. Die Festung galt lange Zeit als eine der größten und stärksten Festungen Norwegens, was sie damit bewies, dass sie trotz diverser Belagerungen niemals eingenommen wurde. Bohus unterlag verschiedener Um- und Ausbauten mit großen Unterschieden in den Baustilen und der Nutzung. Anfangs war sie eine einfache Festung, später Burg oder Schloss mit Festung. Bohus war Heimat für Könige und Gefangene, Soldaten und einfache Leute.

Während des Nordischen Siebenjährigen Krieges von 1563 bis 1570 belagerten die Schweden die Festung Bohus sechs Mal, jedoch ohne Erfolg. Durch den Vertrag von Roskilde im Jahr 1658 wurden die gesamte Provinz Bohuslän und die Festung Bohus Schwedisch.

Im Jahr 1678 wurde die Festung wiederum von Norwegen belagert, konnte der Belagerung aber erneut standhalten. Zwei Jahre später kehrten die Norweger mit über zehntausend Mann zurück, um sowohl Bohus als auch Göteborg einzunehmen. Dies war die vierzehnte und schwerste Belagerung der Festung.

Zwei Sommermonate lang wurde die Festung so heftig bombardiert, dass die Schäden erst mehrere Jahrzehnte später im 18. Jahrhundert repariert werden konnten – eingenommen wurde sie aber wieder nicht. Die Grenze zu Norwegen hatte sich nun dauerhaft in den Norden verschoben – die Festung verlor ihre Kernaufgabe und wurde nur noch als Gefängnis und Garnisionssitz genutzt. 1786 verließ die letzte Militärgarnison die Festung und drei Jahre später wurde beschlossen, sie abzureißen, um so zu verhindern, dass sie vielleicht doch noch in die Hände der Norweger fallen könnte. Die Einwohner von Kungälv durften Steine aus Bohus für ihre Häuser und Gärten mitnehmen, und die Festung verfiel. Ende des 19. Jahrhunderts wurde der historische Wert der Festung anerkannt und umfangreiche Restaurierungsarbeiten begonnen. Im Jahr 1935 wurde Bohus zum nationalen historischen Bauwerk und Teil des schwedischen Kulturerbes erklärt.

Nachdem wir uns ausgiebig Zeit für die Besichtigung von Burg und Ausstellungen mittels Audioguide genommen und den Ausblick genossen haben, kehren wir zurück zu Jento und legen ab. Bis nach Göteborg sind es nur noch 10 Seemeilen, allerdings liegen drei Brücken auf dem Weg, die öffnen müssen. Die erste können wir von unserer Anlegestelle aus sehen und sie öffnet just in dem Moment, als wir ablegen. Schade, das bedeutet nun sicher etwas Wartezeit. Wir versuchen an Steuerbord vor der Brücke an der hohen und nur mit wenigen Pollern bestückten Wartepier festzumachen, aber mit Wind und Strömung von hinten klappt das nicht. Jento vertreibt. So drehen wir einmal um und legen gegen Wind und Strömung an. Das ist deutlich einfacher. Werner kann Jento aufstoppen und Barbara wagt den Sprung auf das hohe Bollwerk – Spaß macht das nicht! Wir versuchen per Funk herauszubekommen, wann die Brücke öffnen wird, aber es wird nur auf schwedisch geantwortet. Wir verstehen nur so viel, dass zwei weitere Segelboote im Anmarsch sind. Die Wartezeit nutzen wir für das Frühstück und können schon bald zwei Masten ausmachen, die sich der Brücke nähern. Aber auch jetzt regt sich nichts an der Anzeige. Letztlich braucht es noch einen Segler von der anderen Seite, dann öffnet die Brücke. Nun geht es flussabwärts weiter Richtung Göteborg. Der Fluß wird von Schnellstraßen und Bahnlinien flankiert, immer mehr Gewerbe taucht am Flussufer auf.

Auch vor der nächsten Brücke, einer Eisenbahnbrücke müssen wir kurz warten – natürlich hat hier der Bahnverkehr Vorfahrt. Dann fehlt nur noch die letzte Brücke kurz vor der Göteborger City. Diese soll eigentlich erst um 14:35 Uhr aufmachen – wir sind eine halbe Stunde zu früh. Aber da gerade ein Frachtschiff die Brücke passieren will, dürfen auch wir Yachtis durch – Glück gehabt! Direkt hinter der Brücke befindet sich der zentrale Gästehafen „Lilla Brommens Hamn“. Wir drehen einige unentschlossene Runden im Hafenbecken. Ein Hafenmitarbeiter ruft uns zu, welche Plätze nicht reserviert sind, wir fragen nach dem Preis und entscheiden uns weiterzufahren. Es ist uns einfach zu laut und unruhig hier. Nach all den beschaulichen kleinen Häfen, Ankerbuchten und Naturhäfen, überfordert uns Göteborg gerade. Wir fahren weiter bis nach Långedrag, dem etwas außerhalb gelegenen zweiten Göteborger Gästehafen. Hier finden wir Ruhe, alle gewünschten Serviceeinrichtungen und können mit Fahrrad, Straßenbahn oder Fähre ins Zentrum fahren, wenn uns danach ist. Wir wollen die Stadt ja schon erkunden und aufgrund der Wettervorhersage, könnte der Aufenthalt hier sogar etwas länger ausfallen, denn ab übermorgen ist Starkwind aus West-Süd-West vorhergesagt.

Kaum haben wir angelegt, öffnet der Himmel erstmal seine Schleusen – ein Gewitter mit dicken Regentropfen zieht über uns hinweg. Wir verziehen uns unter Deck und krabbeln für einen Erkundungsrundgang erst nach dem Abendessen wieder heraus, als die Sonne sich wieder zeigt.

Freitag, 25.07.2025  –  Hafentag in Långedrag

Schärenausflug oder Stadtgang, diese Frage diskutieren wir beim Morgenkaffee. Die Entscheidung fällt für Stadtgang. Mit den Rädern machen wir uns auf den Weg ins Zentrum Göteborgs. Der Radweg führt über Nebenstraßen und auf reinen Radwegen, anfangs durch Vorstadtsiedlungen mit hübschen Einfamilienhäusern, später entlang des Ufers des Götaälvs. Unser erstes Ziel ist das Stadtviertel „Haga“ mit seinen hübschen Läden und Cafés. Als Erstes kehren wir ein, um zu frühstücken. Dann geht es zu Fuß hoch auf den Risåsberget zur Festung „Skansen Kronan“, der im 17. Jahrhindert zur Verteidigung der Stadt gegen dänische Angriffe aus dem Süden gebaut wurde und mit 23 Kanonen bestückt war. Aktuell ist er teilweise eingerüstet und die Hauptzugangstreppe wegen Steinschlag gesperrt – der sich bietende Ausblick ist den Aufstieg allemal wert! Unser nächstes Ziel ist die „Feskekörka“, ein Fischmarkt mit Restaurant, die wegen ihrer Architektur im Volksmund als „Fischkirche“ bezeichnet wird. Optisch und kulinarisch macht sie etwas her, ist allerdings heute mehr Restaurant, als Fischmarkthalle. Ein Bataillon geleerter Weißweinflaschen über dem Tresen zeigt, wie gern hier gegessen und getrunken wird. Wir ziehen weiter zur „Saluhallen“, der eigentlichen Markthalle von Göteborg. Im Unterschied zu spanischen Markthallen, findet man hier weniger Ost, Gemüse und Fisch, dafür mehr Käse- und Fleischwaren. Aber auch mediterrane Delikatessen findet man hier. Aber genau wie in Spanien geht die Entwicklung hier weg vom Lebensmittelhandel und hin zur Gastronomie. Wir schlendern etwas durch die umliegenden Straßen der Innenstadt und lassen das Flair auf uns wirken. Leider wird aktuell in Göteborg sehr viel gebaut, viele Straßen sind nur schwer oder gar nicht passierbar. Eine Googlesuche bringt Klarheit: Es handelt sich um ein im Bau befindliches Eisenbahnprojekt mit einer Länge von 8 Kilometern für Regional- und Nahverkehrszüge in Tunneln unter der Stadt. Außerdem scheinen auch Fernwärmeleitungen erneuert oder ergänzt zu werden, denn einige Baustellen sehen aus wie in Flensburg…

Unser nächstes Ziel ist der Park „Trädgårdsforeningen“ mit seinem Palmenhaus und dem Rosarium. Schon am Eingang werden wir darauf hingewiesen, dass der Garten heute bereits um 16:30 Uhr wegen eines Konzertes geschlossen wird. Die Konzertvorbereitungen für „Roxette“ sind in vollem Gange. Die Bühne ist aufgebaut, ein Soundcheck läuft, Wiesen und Wege sind abgesperrt. So sieht man wenig von der gepriesenen Parkstruktur. Naturgemäß ist die Rosenblüte vorbei und das hübsche Palmenhaus ist zum Großteil eingerüstet, wird renoviert und kann nicht betreten werden. Dieses Besuchshighlight ist also aktuell ein Flopp.

Auf dem Rückweg machen wir dann noch einen Abstecher zum zentralen Gasthafen, in dem die Penelope liegt – von der Crew ist aber leider weit und breit nichts zu sehen. Dann erklimmen wir radelnd und schiebend die nächste städtischen Anhöhe mit der sehr fotogenen Oscar Fredriks Kyrka, die leider geschlossen ist. Die nachträgliche Googlerecherche zweigt nämlich, dass sowohl die Rosettenfenster als auch die Inneneinrichtung wunderschön sind.

Der Weg führt uns weiter bergan bis ganz hinauf auf den Stigberget, wo die Masthuggkyrkan steht. Die Anstrengung wird mit einem erneuten tollen Ausblick über die Stadt belohnt.

Nun reicht es uns für heute. Auf direktem Weg radeln wir zurück zum Boot, halten nur kurz beim Hemköp (=schwedische Supermarktkette) in Långedrag, um unsere Vorräte etwas zu ergänzen.

Den ganzen Tag hatten wir hochsommerliches Wetter, abends ändert sich das. Es bewölkt sich, Wind kommt auf und nimmt stetig zu – im Rigg beginnt es zu pfeifen und zu klappern. Beim Abendessen beginnt Barbara zu frösteln und greift nach dem langärmeligen T-Shirt, was Werner noch mit „Warmduscherin“ kommentiert. Wenig später fragt er nach einem Pulli und kurz darauf werden die Wolldecken ins Cockpit gereicht. Auch für die nächsten Tage ist eher frisches Wetter angekündigt und vor allem reichlich Wind. Wir noch etwas hierbleiben – es gibt noch viel in und um Göteborg zu entdecken, langweilig wird uns sicher nicht!

8 Antworten

    1. Sehr gerne! Wir freuen uns, sie über das Kennenlernen von Kathinka nun als neue Mitreisende an Bord zu haben!

      Herzliche Grüße von der Jento-Crew

    1. wie schön, nun auch von hnen zu lesen, nachdem Kathinka so liebevoll von ihrer Tante Vera berichtet hat! Herzlich willkommen in der Gemeinschaft unserer lesenden Reisbegleiter!

      Herzliche Grüße von der Jento-Crew

  1. Das hat schlimm ausgesehen liebe Barbara! Hoffentlich alles gut verheilt! DANKE für den lesenswerten tollen Bericht!
    Liebe Grüße Manuela

    1. Liebe Manuela,
      Ich hatte wirklich Glück! Unterdessen ist alles schön verschorft und ich muss mich gedulden, bis der Schorf von alleine abfällt… Geduld ist übrigens nicht so meine Stärke!
      Liebe Grüße
      Barbara

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