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#9 …wieder zuhause

Zuhause, was ist das für uns? Am 12.07.24 sind wir von Tallinn „nach Hause“ geflogen, nach Munkbrarup in unser großes Haus. Natürlich ist dort alles vertraut und irgendwie unser Zuhause… Aber die Wege sind lang, aus jeder Ecke springen uns „Aufgaben“ entgegen, das Bett ist riesig – der andere so weit weg! Der Weg ins Bad ist kurz und eine eigene Dusche genießen wir… Bei unserer Rückkehr nach Tallinn am 15.07. zu unserem schwimmenden Zuhause, wird uns jedoch klar, dass wir uns hier aktuell deutlich mehr zuhause fühlen als in Munkbrarup.

Samstag, 13.07.24 bis Montag 15.07.24 Tallinn – Munkbrarup – Tallinn

Unser letzter Bericht endete mit unserer Abreise von Tallinn zu einem Kurzbesuch in der Heimat. Von Tallinn gibt es eine Direktverbindung mit Ryanair nach Billund. Nur 1,5 Stunden nach dem Abheben, setzt die Maschine nach einem entspannten Flug über Südschweden und das Kattegat in Billund überpünktlich auf. Lukas holt uns ab und weitere 1,5 Stunden später sind wir „zuhause“. Wahnsinn, mit dem Boot haben wir 8 Wochen gebraucht… Uns kommt das Haus riesig vor und aus allen Ecken schaut uns Arbeit an. Wir schauen weg…

Wir sind hergekommen, um die Hochzeit von Barbaras Bruder zu feiern und dabei die Familienmitglieder wiederzusehen bzw. die Familie der Braut kennen zu lernen. Die Hochzeit findet auf dem Leuchtturm Falshöft statt. Auch wenn das Wetter nicht so mitspielt, wie erhofft, verbringen wir einen wunderschönen, fröhlich entspannten Tag. Das Brautpaar hat sich im Reetdorf in Nieby 4 Häuser gemietet und alles liebevoll selbst organisiert, damit alle genug Zeit und Ruhe zum Kennenlernen und Feiern haben. Nach dem Ja-Wort gibt es einen Sektempfang am Leuchtturm, anschließend ein Picknick am Strand, einen gemeinsamen Spaziergang zum Reetdorf und dort von Wikinger Schach im Garten, über Kaffee und Kuchen, interessante Gespräche, kleine Vorführungen und gemeinsames Grillen bis zu wilder Tanzparty alles, was das Herz begehrt. Es war ein rundum schöner Tag und eine sehr gelungene Hochzeitsfeier! Nach 12 Stunden verabschieden wir uns und fallen erschöpft und glücklich in unsere (viel zu großen) Betten zuhause.

Der Sonntag steht im Zeichen von Wiedersehen. Werners Bruder und Schwägerin treffen wir an ihrem „Beach House“ in Langballigau, machen einen Abstecher zum Odin-Fischer für ein Fischbrötchen, treffen unseren Clubkollegen und Segelmacher Stefan, der gleich noch ein paar Tipps für uns hat. Zusammen mit Tochter Anna lässt Barbara sich einen Besuch des Erdbeerfeldes nicht nehmen, bevor es abends zum Sonntagsdinner mit den Kindern und Freunden eine große Paella bei fröhlicher Stimmung gibt. Und dann ist der Rückreisetag schon da. Werner muss noch in der Firma ein paar Unterschriften leisten, wir besuchen liebe Freunde in Flensburg und machen ein paar Besorgungen. Am frühen Nachmittag fährt Markus uns nach Billund, wo der Flieger wegen „technischer“ Probleme eine Stunde später als geplant abhebt. Um 21:30 Uhr erreichen wir Jento, die brav auf uns gewartet hat. Und auch unsere Seelen sind noch da, denn die kamen bei der Reisegeschwindigkeit einfach nicht mit. Es wird wohl auch noch etwas dauern, bis wir alle Erlebnisse dieses Wochenendes verarbeitet haben. Aber es war den Aufwand wirklich wert!

Dienstag, 16.07.2024 – Tallin Kakumäe – Helsingholmen – 85 Seemeilen

Aufgrund der erneuten Zeitverschiebung werden wir erstaunlich früh wach. Es ist bedeckt und sogar ein kleiner Schauer zieht durch. Aber es ist warm, sehr warm. Wir schätzen die Temperatur schon am Morgen auf über 20 Grad. Wir möchten uns heute noch das Rotermann-Viertel in Tallinn ansehen und im Anschluss einen Großeinkauf bei Lidl machen. Also machen wir uns bepackt mit „Rucksack in Rucksack in Rucksack“ auf den Weg zur Bushaltestelle, wo der Bus direkt einrollt als wir eintreffen – so ein Glück! An der Endstation steigen wir aus, durchstreifen nochmals die Altstadt und tauchen dann in das Rotermann-Viertel ein. Hier wurden alte Gebäude um moderne bis futuristische Erweiterungen ergänzt. Das Viertel beherbergt Geschäfte, Hotels, Restaurants und Cafes. Die geschickt platzierten Skulpturen sind weitere Eyecatcher. Uns gefällt diese Symbiose aus Alt und Neu sehr und es entstehen wieder einige schöne Fotos.

Nach einem Abstecher zum alten Hafen rufen wir uns eine Ruftaxi von Bolt (vergleichbar Uber) und lassen uns zum Lidl fahren. Was ist es angenehm in einem Laden einzukaufen, bei dem man genau weiß, was wo zu finden ist! Da geht uns der Einkauf schnell von der Hand. Wir verlassen Lidl mit 180€ weniger auf dem Konto, aber mit 5 prall gefüllten Rucksäcken und einer Palette Bier. Dank Bolt bekommen wir alles schnell zum Hafen und dort mittels Handkarren zum Schiff. Das Verstauen dauert dann allerdings etwas.

Werner plant auf dem IPad die Route zurück in die finnische Schärenlandschaft vor Turku. Am Nachmittag verlassen wir den einzigen baltischen Hafen unserer Ostseerunde. Es hat uns sehr gut in Tallinn gefallen und wir können eine Reise dorthin – egal mit welchem Transportmittel – auf jeden Fall empfehlen!

Anfangs gibt es für uns noch keinen segelbaren Wind, aber nach gut einer Stunde unter Motor, lösen wir uns von der Küste und können die Segel setzen. Noch reichen die knapp 8 Knoten Nordostwind nur für 4 Knoten Fahrt, aber über Nacht nimmt der Wind zu und so erreichen wir im Mittel eine gute Reisegeschwindigkeit bis kurz vor Hanko. Dort schläft der Wind zum Sonnenaufgang ein. So laufen wir unter Maschine in den Hafen, um dort ein paar Stunden zu schlafen. Nun sind wir tatsächlich zum ersten Mal in einem bereits besuchten Hafen, etwas, was wir eigentlich vermeiden wollen. Zudem haben wir zum ersten Mal unsere Kiellinie gekreuzt.

Mittwoch, 17.07.2024 – Hanko – Helsingholm – 31 Seemeilen

Nach 5 Stunden Schlaf in Hanko, legen wir wieder ab und nutzen den Südost Wind, um unter Genua weiter in Richtung Nordwesten zu segeln. Unser Ziel heißt Helsingholm, eine kleine familiengeführte Insel mit kleinem Gästehafen. Leider ist es bedeckt und die Temperaturen liegen mit 18 Grad deutlich unter denen aus Tallinn. Wir segeln dieses Mal im äußeren Schären-Fahrwasser. Auf der Karte sieht es nach recht offenem Gebiet aus, aber es gibt überall Flachstellen, kleine Felsinseln und viele „Fieslinge“. Also heißt es wieder aufmerksam sein. Uns macht es Freude, wieder durch die Schärenlandschaft zu gleiten. Lediglich an einer Engstelle, an der das Fahrwasser stark nach Süden abknickt, muss der „Jockel“ helfen. Nach 3 Stunden setzen wir auch das Großsegel, weil wir nun eher mit Halbwindkurs (Wind ca. im 90 Grad Winkel zum Schiff) segeln. Da bringt das Großsegel gute Unterstützung. Am frühen Nachmittag kreuzen wir zum zweiten Mal unsere Kiellinie. Auf dem Weg nach Dalsbruk sind wir schon einmal an dieser Stelle vorbeigekommen.

Nach 31 Seemeilen und 5,5 Stunden machen wir in Helsingholm fest. Erstmals sind wir in einem Hafen, der als nahezu voll bezeichnet werden kann. Hier ist alles etwas alternativ-provisorisch. Es gibt einen kleinen Laden in dem man das Hafengeld (25€) bezahlt. Nebenan kann man geräucherten Fisch erwerben. Sauna und Duschen werden separat abgerechnet, lediglich der Strom ist inkludiert. Und die Stromversorgung ist etwas abenteuerlich: Auf der Pier liegt ein Haushaltsmehrfachstecker (230V) mit Adaptern auf Yachtanschlüsse. Daran hängen 4-5 Schiffe. Erstaunlicherweise gibt es weder einen Kurzschluss noch fliegt die Sicherung raus – aber ein deutscher Elektriker würde die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Als weiteren Service gibt es eine Spülstation und einen Aufenthaltsraum mit Fernseher. Zudem schwimmt in der Bucht eine Absauganlage für das Schwarzwasser und es gibt eine separate Müllpier. Nach dem Abendessen beobachten wir aus dem Cockpit springende Fische, die sich anscheinend die über dem Wasser schwebenden Insekten holen. Ein beeindruckendes Schauspiel, das wir versuchen in einem Foto oder Video einzufangen. Damit ist allerdings das Handy überfordert…

Der sehr geschützte Hafen ist mit hohen Kiefern umstanden und so liegt er relativ früh im Schatten. Auf einem kleinen Spaziergang finden wir einen geschützten Sonnenplatz auf einem Stein. Um bis zum Sonnenuntergang auszuharren, fehlt es uns heute an Kondition. Man sagt ja, dass der Schlaf vor Mitternacht am erholsamsten sei, und den haben wir in der letzten Nacht nicht bekommen. Also geht es heute mal rechtzeitig in die Koje.

Donnerstag, 18.07.2024 – Helsingholm – Lootholma – 48 Seemeilen

Barbara möchte gern noch weiter in den Norden segeln. Da wir heute südlichen Wind haben, wollen wir etwas Strecke machen. Die Suche nach einem Zielhafen gestaltet sich in Finnland immer etwas schwierig. In den digitalen Karten von Navionics muss man ziemlich tief hineinzoomen, um Häfen auszumachen. Also schauen wir in der finnischen Papierkarte. Darin sind die Häfen mit Nummern versehen. Mit diesen Nummern findet man sie dann im finnischen Hafenheft (nur in finnischer Sprache), aber mit Namen. In unserem englischsprachigen Hafenführer von Finnland können wir dann alphabethisch nach dem Hafennamen suchen und bekommen eine Kurzbeschreibung. Oftmals googeln wir dann noch den Ort oder schauen bei der App Navily (App für Häfen und Ankerplätze, in der die Community Kommentare hinterlassen kann), ob es Bewertungen gibt. Steht danach irgendwann fest, welchen Hafen wir anlaufen wollen, können wir das Ziel bei unserer Routenplanung in Navionics eingeben und bekommen einen Routenvorschlag. Manchmal ändern wir diesen noch etwas ab, weil wir aufgrund des Windes lieber etwas anders fahren wollen. Für heute passt die vorgeschlagene Route gut zum angesagten Wind.

Leider ist es aber bedeckt und auch ein paar Regenschauer ziehen durch. Noch gestern hatte uns der Wetterbericht 10 Sonnenstunden versprochen. Heute Morgen waren diese auf 5 zusammen geschrumpft. Bei grauem Wetter, Regenschauern und teilweise Nebel, ist die Fahrt durch die Schären wenig erfreulich. Noch dazu haben wir den Eindruck, dass jenseits von Turku kaum noch andere Segler unterwegs sind und auch die Küstenbesiedlung stark abgenommen hat. Auch fällt uns hier auf, dass häufiger braune Kiefern zu sehen sind oder auch welche ohne Nadeln und wir fragen uns, ob das mit Trockenheit zu tun hat, oder ob etwas anderes dafür verantwortlich ist. So segeln wir stundenlang durch grau-rote, mit Kiefern bestandene einsame Inseln, werden mehrfach nassgeregnet und sind froh, als wir nach 9 Stunden in Lootholma einlaufen.

Das Fahrwasser erinnert uns an die Dyvig-Zufahrt. Es ist allerdings noch enger und führt in einem Bogen um die bewaldete Halbinsel, hinter der sich der Hafen befindet. Begegnungsverkehr scheint hier nahezu ausgeschlossen zu sein. Da man aber nicht sehen kann, ob sich bereits jemand im Fahrwasser befindet, sind wir froh so spät anzukommen. Da erscheint es uns sehr unwahrscheinlich, dass noch Schiffe auslaufen… Auch dieser Hafen ist relativ voll – alles Finnen, nein, ein deutsches Schiff mit einem Skipperpaar, dass sich gerade klar macht, auf einen Ankerplatz zu verlegen. Wir kommen kurz ins Gespräch und haben den Eindruck, dass die Skipperin gern umentscheiden würde. Sie hat offensichtlich ein großes Bedürfnis nach sozialem Kontakt mit Deutschen, da nach ihrer Wahrnehmung die Finnen hier recht verschlossen sind und auch keine große Lust auf Gespräche in englischer Sprache haben. Aber der Skipper will den einmal gefassten Beschluss nicht revidieren. Vielleicht trifft man sich irgendwo auf dem Rückweg…

Während Werner sich um das Abendessen kümmert, checkt Barbara ein. Der Hafen wird zusammen mit einem Restaurant, einer Ferienhaussiedlung und einem Campingplatz im Sommer geführt. Die Hafengebühr liegt mit 27€ recht niedrig, da hier neben Strom und Wasser auch Sauna, Duschen und Waschmaschinennutzung inkludiert sind. Aber alles ist nur auf finnisch erläutert. Das Anmeldeformular, die Anleitung bei der Waschmaschine, die Aushänge zu Veranstaltungen und Sehenswertem in der Umgebung – ohne Google-Übersetzer-App ist man aufgeschmissen!

Freitag, 19.07.2024 – Lootholmen Hafentag – 0 Seemeilen

Nach unserem Kurzurlaub in der Heimat haben wir in 48 Stunden 150 Seemeilen gemacht – heute machen wir Pause! Zum einen weht der Wind aus der falschen Richtung und zum anderen brauchen wir mal wieder „Landgang“. Leider finden wir weder über Googlemaps noch über Komoot oder die Rezeption der Anlage Wanderstrecken. Daher steigen wir auf das Rad und erkunden die nähere Umgebung. Der Weg führt stetig bergauf und bergab – und uns fehlt eindeutig die Kondition! Auch heute ist es leider bedeckt und auf dem Rückweg bläst uns der recht kräftige Wind entgegen. Zum Glück finden wir unterwegs einen schönen Hofladen, der auch Kaffee und Kuchen im Angebot hat. Die Blaubeeren sind reif und der Hof hat offensichtlich auch eigene Erd- und Himbeeren. Wir schlemmen!

Im Ort finden wir einen Fischwagen, der nicht nur geräucherten, sondern auch frischen Lachs im Angebot hat. Die Fischverkäuferin spricht perfekt Deutsch, welch Überraschung. Es stellt sich heraus, dass sie aus Klaipeda kommt, das zumindest in ihrer Generation noch sehr deutsch geprägt war.

Zur Belohnung nach dem aktiven Nachmittag, gönnen wir uns einen ausgiebigen Saunabesuch in der nahezu neuen und sehr schönen Saunaanlage des Hafens. Aus der Sauna hat man den perfekten Blick auf die schmale Zufahrt zum Hafen und die Brückenanlage des Restaurants. Hier kommen die Gäste nicht mit dem Auto, sondern mit dem Boot zum Essen. Nach der Sauna macht sogar bei grauem Wetter das Schwimmen im aktuell 18 Grad „warmen“ Wasser Freude.

Nach dem Abendessen kommt dann tatsächlich noch die Sonne raus und alles sieht gleich viel schöner aus!

Samstag, 20.07.2024 – Lootholmen – Katanpää / Kustavi– 8 Seemeilen

Nun sind wir schon seit gut 9 Wochen unterwegs – unglaublich! Der heutige Eintrag im Logbuch zählt den 62. Tag (und die 62. Nacht) an Bord – die drei Tage in Munkbrarup wurden natürlich nicht mitgezählt. Da wir Mitte September wieder in Flensburg sein wollen, haben wir die Halbzeit bereits hinter uns. Der Wind für die nächsten Tage ist weiterhin aus nördlichen Richtungen angesagt, was ein Festhalten am Plan „Vaasa“ wenig sinnvoll erscheinen lässt. Daher planen wir spontan mal wieder um und motoren heute nur 7 Seemeilen in Richtung Norden in einen kleinen, sehr geschützten Hafen auf der Insel Katanpää, bevor es über die nördlichen Ålandinseln weiter in Richtung Schweden geht. Sollte sich der Wind noch umentscheiden, versuchen wir auf der schwedischen Seite noch ein Stück nach Norden zu kommen, Barbara möchte die „Hohe Küste“ sehen. Warten wir es ab…

Die Fahrt unter Maschine und bei bedecktem, grauem Himmel, ist wenig ereignisreich. Über unseren Zielhafen wissen wir nur, was der Hafenführer berichtet: Es gibt einen Natur Trail, die Brücken und Sanitäreinrichtungen wurden erneuert, es gibt ein Café und man kann alte Befestigungsanlagen sehen…

Nach dem Anlegen, gibt es erstmal „Brunch“, wir frühstücken nur noch selten – in der Regel genügt uns beiden der Kaffee am Morgen. Danach schauen wir im Café vorbei und vergewissern uns, dass wir nach der Wanderung einen Kuchen bekommen können. Wir können!

Schon beim Einlaufen ist uns aufgefallen, dass hier sehr viel Stein bewegt wurde. Der gesamte Hafenbereich verfügt über ein Bollwerk aus Granitquadern, die recht wahllos übereinandergeworfen wirken. Die erste Informationstafel auf dem Natur Trail klärt uns auf, dass in den 1930er Jahren die Insel ein Gefängnis beherbergte und die Gefangenen hier Steine brechen mussten, die in den gesamten nordeuropäischen Raum exportiert wurden. Besucher werden vor scharfkantigem Geröll gewarnt… Zum Glück wurde nicht die gesamte Insel durch die Steinbrucharbeiten verschandelt. Wir kommen vorbei an wunderbar vom Meer glattgeschliffenen Granitfelsen, die sich ins Meer zu ergießen scheinen. Am Spülsaum sind sie ockerfarben, da sich keine Flechten auf Ihnen ansetzen. Weiter oben sind sie grau und mit Flechten und Moosen bedeckt. In vielen Spalten und Mulden sammelt sich Regenwasser und es sind lauter kleine Biotope entstanden. Nach Norden blicken wir auf (fast) offenes Wasser des Bottnischen Meerbusen. Heute ist die See ruhig, aber es fällt nicht schwer sich vorzustellen, was hier an Welle angerollt kommen kann, wenn es kräftig aus Nord bläst…

Der Weg führt uns dann an den alten Befestigungsanlagen vorbei, auch diese gut mit Informationstafeln versehen. Und so erfahren wir nun, dass diese 1915 noch unter Zar Peter dem Großen begonnen wurden und der nördlichste der Teil großen Marinefestung Russlands im Bottnischen Meerbusen waren. Beim Bau der Festungsanlage, die  den Hafen, zwei Kilometer Straße, einen Eisenbahnstrang, ca. 20 Gebäude, eine Telegrafenstation, mehrere Kanonenstände und Schutzwälle umfasst, wurden russische Strafgefangene neben lokalen Bauarbeitern eingesetzt. Bei den Kanonenständen und Befestigungswällen setzte man auf sogenannten „ökonomischen“ Beton. Das bedeutet, es wurde so weit möglich auf Baustoffe (Granitsteine und Baumstämme) zurückgegriffen, die es auf der Insel gab. Sand und Kies wurden von Nachbarinseln herangeschafft. Um die schweren Geschütze zu den Geschützständen transportieren zu können, wurde diese auf der Schiene vom Hafen quer über die Insel transportiert, entweder mit Pferden gezogen oder von Menschen. Nachdem die Anlage nach dem Krimkrieg und der Unabhängigkeit Finnlands ( 06.12.1917) an Bedeutung verlor, kamen die finnischen Strafgefangenen, um hier Steine zu brechen und zu verladen. Insbesondere in den 30er Jahren platzten die finnischen Gefängnisse aus allen Nähten, weil aufgrund von Depression und Prohibition, Schmuggel und Kriminalität sprunghaft anstiegen. Die Befestigungsanlagen gewannen in Zeiten des Kalten Krieges nochmals an Bedeutung und erhielten 1950 modernere Geschütze. Der letzte Schuss wurde 1989 abgeschossen und im Jahr 2000 wurden die Feuerwaffen endgültig demontiert oder stillgelegt. Das gesamte Gelände ist heute ein Naturschutzgebiet. Die Konstruktion der Festung und die Strukturen sind durch das finnische Denkmalgesetz geschützt und können betreten werden. Selbst die Bunker stehen offen.

Leider ist am Nachmittag der Himmel noch bedeckt, sodass die Fotos am ehesten, als Schwarz-Weiß-Aufnahmen etwas taugen.

Nach unserem Rundgang genießen wir Kaffee und Kuchen am Hafen und kümmern uns anschließend um diesen Bericht und unsere Bilder. Am frühen Abend kommt dann tatsächlich die Sonne heraus und wir starten zu einem erneuten kleinen Rundgang. So kommt ihr jetzt in den Genuss von „Vorher – Nachher – Fotos…

Insgesamt hat uns diese Insel überrascht und wir sind froh, hier einen Stopp eingelegt zu haben.

6 Antworten

  1. „Ja, die Zeit vergeht und man fängt an, alt zu werden. Im Herbst werde ich zehn Jahre alt und dann hat man wohl seine besten Tage hinter sich.“ (Pippi Langstrumpf)
    Hallo ihr Beiden,
    ihr beweist hier, dass mit einem Alter von 10 Jahren 😉 noch längst nicht Schluss ist 😉 😉 ;-)!…
    Anhand der Reiseberichte und der Bilder kann man nur erahnen mit wieviel Faszination euch dieser Segeltrip umgibt. Ihr strahlt jedenfalls soviel Freude und Dankbarkeit aus. Das färbt auch auf mich ab … vielen Dank dafür!
    …und noch einmal Pippi L.: „Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt.“ In diesem Sinne; bleibt gesund und passt gut auf euch auf.
    Sonnige Grüße (bei 22°C) senden euch
    Ute&Henning + Lotte????

    1. Hallo Ute, vielen Dank für dein tolles liebes feedback, sehr passend! Wir sind gerade wieder zurück in Schweden und genießen alles, was Schweden ausmacht! Wir wünschen euch einen schönen Sommer. LG von der Höga-Küste – Barbara & Werner

    1. Ups, habe euren Kommentar erst jetzt gesehen…
      Wir waren im Winter bei einigen Veranstaltungen zum Thema „Heimat“ zu Gast – der Blick der eingeladenen Autoren auf dieses Thema war auch sehr interessant und brachte uns zum Nachdenken. Er ging von „Sprache“ über „Orte“ bis zu „einzelnen Personen“. Mit dem Begriff „Zuhause“ ist es ähnlich…

      Danke für euer unermüdliches Lesen unserer Berichte!!!

      LG von der Jento-Crew
      Barbara und Werner

  2. Ja, das „Zuhause“ – wir haben ein schönes Haus und einen tollen Garten.
    Aber unser Wohnwagen mit einer kleinen Handvoll Quadratmeter wird uns auch nicht zu eng.

    Und im Winter, nach Stunden im Kajak und kaltem Wasser, ist mein kleines Ein-Personen-Zelt das ‚größte‘ zu Hause!

    1. …es ist doch interessant, was Menschen alles mit diesem Begriff verbinden – Danke für deine Sicht auf das Thema!

      LG von der Jento-Crew
      Barbara und Werner

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