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#3 Schlösser + Burgen, Mittelalter + Wikinger

Nicht geahnt haben wir, welchen kulturellen Herausforderungen wir auf dieser Tour begegnen. Kleine Fischerstädte, verschlafene Dörfer und kleine Ankerbuchten – das war es, was wir erwartet hatten. Eine exakte Tourenplanung gab es vorher nicht – geht beim Segeln auch kaum. Wenn man aber große Etappen zurücklegt und nur die interessanten Orte anläuft, springt man von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten:  mächtige Burgen, große Schlösser, wunderschöne mittelalterliche Städte und Zeugnisse der Wikingerzeit.

zur Info: Durch anklicken der Bilder können diese vergrößert angesehen werden

Dienstag, 28.05.2024 Gudhjem – Svaneke – 9 Seemeilen

Morgens werden wir von Schwalbengezwitscher geweckt. Nach dem Frühstück hilft Werner mein Fahrrad auf die Mole zu schaffen, bevor er sich auf die Gesellschafterversammlung vorbereitet. Ich möchte eine Radtour machen und starte mit einer Fahrt entlang des Hafens Richtung Norden.

Überall blüht es am Wegesrand und ich versuche mich an Makroaufnahmen mit dem Handy. Mein eigentliches Ziel ist die Rundkirche Østerlars – zumindest eine dieser für Bornholm so typischen Kirchen möchte ich sehen, bevor wir weitersegeln. Natürlich liegt sie oben auf der Insel… Da wir recht gute Fahrräder dabeihaben (26-Zoll Klappräder mit 21 Gängen), hält sich die Quälerei in Grenzen. Aber es ist dann doch etwas anderes als mit meinem „gepimpten“ E-Bike zuhause…

An der Kirche ist richtig viel Betrieb, drei Reisebusse stehen auf dem Parkplatz und spucken mindestens zwei Schulklassen und diverse Rentner aus. Noch nie habe ich eine Kirche besichtigt, in der es so laut war!!! Die Kirche ist über 900 Jahre alt und innen sind zum Teil noch die alten Kalkmalereien sichtbar. In dieser Kirche wurden viele Szenen des Kinderfilmes „Der Schatz der Tempelritter“ gedreht und man kann sich über historische Erklärungsansätze, die die Form der Kirchen mit den Tempelrittern in Verbindung bringen, informieren – gesichert ist das aber nicht. Vielleicht dienten die Kirchen auch der Verteidigung, was auch ihre hoch in der Landschaft platzierte Lage erklären würde…

Man kann das Dach der Rundkirche über eine enge, mit sehr unterschiedlich hohen und sehr ausgetretenen Stufen versehene Treppe besteigen. Allerdings ist kein Gegenverkehr möglich! So warte ich geduldig, bis die Schulklassen alle wieder das Dach verlassen haben und komme dann doch noch in den Genuss einer stillen Besichtigung. Spannend finde ich insbesondere das Gebälk der Rundkirche – seht selbst.

Neben der Kirche steht ein altes Gehöft, in dem ein Souvenirladen und ein Cafe untergebracht sind, alles liebevoll restauriert. Hier treffe ich auf sehr vergnügte „Badenixen“.

Für den Rückweg suche ich mir mit Hilfe von Komot (ich liebe diese App!) eine andere Route und rolle über wunderschöne Feldwege seicht bergab durch einen Wald, in dem es unbeschreiblich intensiv nach Bärlauch duftet. Die Blütezeit ist zwar schon vorbei, aber mir haben es hier die bizarren Blütenstände angetan.

Durch Zufall komme ich auf diese Weise an einem Wegweiser zum Kobbeå – Tal vorbei. Ich lasse das Fahrrad stehen und steige hinunter zum Wasserfall Stavehøl, der laut Beschreibung der höchste senkrechte Wasserfall Dänemarks sein soll. Wer hier nun die kleine Schwester der Niagarafälle vermutet, den muss ich enttäuschen. Der Wasserfall ist knapp 4 Meter hoch und wird durch eine einen Meter breite Felsspalte gedrückt. Ich habe den Ort für mich allein und finde es dort wunderschön!

Zurück am Hafen ist Werner gerade (fix-+) fertig mit seiner Videokonferenz. Also wird das Rad wieder verstaut, Jento aufgeklart und abgelegt mit dem Ziel „Svaneke“. Denn diesen Hafen haben uns viele empfohlen. Der Wind weht freundlicherweise aus passender Richtung, so können wir die 9 Seemeilen entspannt segeln. Nur die alte Welle stört die Freude etwas.

Svaneke verfügt über zwei Hafenbecken, in denen Gastschiffe anlegen können. Wir ergattern den letzten Platz im geschützten inneren Becken. Über der Insel steht eine dunkle Front. So bauen wir schnell die Kuchenbude (unser Cockpitzelt) auf, bevor wir zur ersten Erkundung starten. Wir kommen nicht weit. Im vorderen Hafenbecken versuchen gerade 2 Segelbote anzulegen und liefern Hafenkino vom Feinsten. Hier liegt man vor Heckboje. Um diese „einzufangen“ ist es sehr hilfreich, wenn die steuernde Person neben der Boje aufstoppt. Beide Schiffsführer „peesen“ aber an den Bojen vorbei und die Vorschiffcrew bemüht sich vergebens einen Bojehaken oder einen Festmacher durch das Auge der Boje zu fädeln. In diesem Moment öffnet der Himmel seine Tore und alle Menschen am Hafen fliehen unter das Vordach eines Ladens, um von dort das Schauspiel anzusehen. Als es einer Crew endlich gelingt, die Boje einzufangen, gibt es „standing ovations“ von den Zuschauern…

Am Abend finden wir dann doch noch Gelegenheit für einen Streifzug durch den Ort.

Erkenntnis des Tages: Hafenkino ist immer wieder schön (wir sorgen auch mal dafür)

Mittwoch, 29.05.2024 Nachttour (Svaneke – Kalmar) – 101 Seemeilen

Die Windvorhersage verspricht uns für heute – nur für heute – westliche Winde. Das wollen wir nutzen und den Sprung nach Kalmar wagen, nun wirklich eine Nachttour, denn die geplante Distanz liegt bei ca. 100 Seemeilen. Wir starten entspannt gegen 9:00 Uhr bei Sonnenschein und entspannten 8 Knoten Wind – der soll im Laufe des Tages zunehmen und uns einen 90 bis 120 Grad-Kurs ermöglichen. Das liebt Jento! Kurz hinter der Hafenausfahrt ziehen wir die Segel hoch und richten uns im Cockpit ein, keine 10 Minuten später umhüllt uns trotz des Windes ein dichter Seenebel.

..beim Verlassen des Hafens kann man die Nebelfront schon sehen. Dass es so dick kommt, haben wir nicht erwartet

Eigentlich hatten wir einen Kurzstopp auf Christiansø (kleine Insel 11 sm östlich von Bornholm) eingeplant, aber unter diesen Bedingungen wollen wir uns der kleinen Felseninsel mit ihren engen Zufahrten auf keinen Fall nähern. Die Stimmung ist irgendetwas zwischen mystisch und spuky… Die Sonne scheint fast ununterbrochen und wir schieben kaum Lage – im Cockpit ist es entspannt, aber man sieht zeitweise gerade mal 2 Bootslängen voraus und das Nebelhorn eines sich nähernden Patrouillenbootes, das wir auf dem Plotter sehen können, klingt gruselig. Wir fühlen uns wie in Watte gepackt, aber dank des Plotters und des AIS recht sicher. Natürlich halten wir trotzdem Ausschau nach Schiffen, die möglicherweise nicht mit AIS ausgestattet sind, aber solche scheinen nicht unterwegs zu sein.

Die Zeit verbringen wir mit Lesen, Computerarbeit, Kochen und „Wohnen“… Nachdem wir den Hauptschifffahrtsweg zwischen Bornholm und Öland trotz hohen Verkehrsaufkommens ohne Probleme gekreuzt haben (Berufsschifffahrt hat hier Vorfahrt), verwerfen wir auch die Idee, die Tour in Utklippan (erster Hafen in Schweden) abzubrechen. Der Nebel hat sich noch immer nicht verzogen. Also bleibt es bei der geplanten Nachttour.

Barbara übernimmt die erste Wache. Zur Einfahrt in den Kalmarsund lichtet sich endlich der Nebel, dafür versteckt sich die Sonne hinter Wolken über dem Festland – es wird kalt. Aber mit Skiunterwäsche, Wärmflasche und Wolldecke kann man es unter der Sprayhood ganz gut aushalten – außerhalb der Sprayhood wird alles klamm. Das Steuern übernimmt weiterhin der Autopilot! In Barbaras Wache gibt es genau eine Schiffsbegegnung, in Werners Wache ab 1:30 gar keine. Mit der Zuordnung der Leuchtzeichen und der Beobachtung des Fortkommens auf dem Plotter und „in echt“ vergeht die Zeit mit einem Hörbuch im Ohr recht schnell.

Der letzte Lichtstreifen verschwindet erst um 1:30. Schon 1,5 Stunden später geht der Mond auf. Jento segelt gut bis ca. 4 Seemeilen vor Kalmar. Dann schläft der Wind wie vorhergesagt ein und der Jockel muss für den Rest arbeiten. Um 4:20 legen wir in Kalmar an und verkriechen uns nach einem kleinen Imbiss in die Koje.

Erkenntnis des Tages: Nachtouren (Herausforderungen) machen uns beiden Spaß

Donnerstag, 30.05.2024 Kalmar Hafentag

Nach nur knapp 4 Stunden Schlaf werden wir wieder wach. Der Hafen erwacht zum Leben und vor unserem Liegeplatz ist eine Hotel-Frühstücks-Terrasse, die bei diesem guten Wetter gut frequentiert ist… So gönnen auch wir uns einen ersten Kaffee im sonnigen Cockpit, bevor wir zur ersten Erkundung aufbrechen: Hafengeld bezahlen, Sanitäranlagen checken, erster Blick auf das Schloss von Kalmar. Wir beschließen als Erstes einen Fahrradladen aufzusuchen. Werners linke Pedale ist ausgeschlagen und er braucht ein Ersatzteil. Dank Google finden wir einen Fahrradladen und dank Google-Maps auch den Weg. Wir haben Glück, es ist kein anderer Kunde da und Werners Rad kommt direkt in der Werkstatt auf die „Hebebühne“ und wird mit einem Gebrauchtersatzteil denkbar günstig repariert. Erste Mission erfüllt!

Dann können wir uns jetzt der Schlossanlage widmen! Das Schloss liegt direkt in der Stadt am Hafen und hat ein sehr idyllisches Umfeld. Auf einen Besuch des Museums oder auf eine Führung verzichten wir, da wir dafür nicht ausgeschlafen genug sind.

Zurück am Schiff gibt es einen Imbiss. Im Anschluss wollen wir uns des nächsten Problems annehmen: Wir brauchen eine neue Gasflasche zum Kochen. Wir haben zwei deutsche Campinggaz-Flaschen dabei. Die erste stammte noch aus der letzten Saison und war nach einer Woche leer. Nun kochen wir mit der Zweiten. Ein Tausch im schwedischen Marinefachgeschäft ist nicht möglich: „wir führen nur Propan und nicht Butan“ sagt der freundliche Verkäufer. Google verweist uns an eine Füllstation, die angeblich auch deutsche Flaschen befüllen kann. Diese liegt außerhalb der Stadt – macht ja nichts, denn wir haben ja jetzt funktionierende Räder. Nach 20 Minuten Fahrzeit kommen wir in einem Gewerbegebiet am Stadtrand an, um zu erfahren, dass es in Schweden gar kein Butangas gibt, weil dieses nämlich bei niedrigen Temperaturen (< 0°C) nicht zündet. Was nun? Also wieder zum Marinefachhandel. Dort treffen wir auf einen weiteren netten, kompetenten und sogar deutschsprechenden Verkäufer und gehen nach einiger Zeit mit einer kleinen Propangasflasche (… und einem neuen Druckminderer) zurück an Bord. Wie durch ein Wunder passt die neue Flasche sogar in unser Gasflaschenfach! Da haben wir aber nochmal Glück gehabt!!!

Nun können wir entspannt im Sightseeing weitermachen. Auf dem Programm steht der „Krusenstiernska gården“. Ein ehemaliger Selbstversorgerhof, den die kinderlosen Eigentümer ihrer Dienerin und diese später der Stadt vermacht hat. Einzige Auflage des Vermächtnisses: der Garten soll erhalten und der Öffentlichkeit weiterhin zugänglich bleiben. Noch heute wird hier Gemüse und Obst gezogen, verarbeitet und verkauft und für uns entpuppt sich der Garten als ein lauschiges Idyll, in dem wir die Seele baumeln lassen können, die Stadt um uns vergessen und Kraft tanken, um anschließend noch die ursprüngliche Altstadt zu durchstreifen und malerische Ecken zu entdecken.

Nach kleinem Lebensmitteleinkauf und Abendessen spazieren wir über die Reste der Stadtmauer und vorbei am Dom und treffen auf mehrere Gruppen junger Menschen in einheitlichen T-Shirts. Heute ist hier offensichtlich ein „Pub-Run“ für die Abiturienten!

Erkenntnis des Tages: Bei der Reiseplanung auch die Gas-Versorgungslage der Gastländer im Auge behalten!

Freitag, 31.05.2024 Kalmar – Borghom – 24 Seemeilen

Heute Nacht haben wir uns richtig ausgeschlafen und wollen weiter nach Borghom segeln. Leider weht uns der Wind entgegen. Anfangs nur als Hauch, so dass wir guten Gewissens unter Maschine laufen können, später mit mehr Kraft, so dass wir die Segel setzen und beginnen den Kalmarsund aufzukreuzen. So werden aus den „eigentlich“ 19 Seemeilen dann doch 33, aber die Sonne scheint und Jento läuft gut – das Segeln macht Spaß!

Beim Anlegemanöver in Borgholm verfängt sich die in der Heckboje eingefädelte Achterleine irgendwie an einer der Winschen und am Heckkorb. Um sie zu befreien, macht Werner anscheinend einen merkwürdigen Ausfallschritt hinter dem Steuerrad und ihm schießt ein Schmerz in den hinteren linken Oberschenkel. Er hat Probleme das Bein zu belasten, kann aber alles bewegen. Mit etwas gegoogel kommen wir darauf, dass es sich möglicherweise um einen Muskelfaserriss oder -anriss handeln könnte. Voltaren-Gel und Kühlung verschaffen Linderung. Sitzen ist schlecht, Stehen geht ganz gut. Vielleicht hilft auch moderate Bewegung? So starten wir eine kleine erste (langsame) Erkundungstour durch den Ort und sind erstaunt über die vielen alten amerikanischen Autos, die wir unterwegs sehen. Ein Plakat bringt Aufklärung: Auf Öland finden gerade die „American Days“ statt.

Rechts und links von uns liegen mehrere deutsche Segelboote. Wir kommen mit einigen Seglern und Seglerinnen ins Gespräch. Viele wollen durch die Schärenwelt bis nach Stockholm und dann durch den Götakanal wieder zurück. Die meisten haben viel Zeit, wie wir… Schön, so etwas mal sagen zu können.

Samstag, 01.06.2024 Borgholm Hafentag

Unser erster Tag als „Nicht Berufstätige“ – fühlt sich komisch an. Bisher war es ja URLAUB, jetzt wird es ernst… Wir beschließen heute einen Hafentag einzulegen. Es gibt Einiges zu basteln: Werner kümmert sich um die Verkabelung unseres mobilen Solarpanels und Barbara optimiert Aufhängung und Spannung des Maindrop-Sytems (Vorichtung, die das Großsegel beim Bergen auffängt). Am Nachmittag packen wir die Räder aus – vielleicht fällt Werner Radfahren leichter als Laufen, denn wir möchten uns gern die über dem Ort gelegene Schlossruine näher ansehen. Wir parken die Räder unterhalb der Ruine und steigen an einem Hang mit abgestorbenen Bäumen hinauf. Leider finden wir nicht heraus, warum diese Bäume alle abgestorben sind, aber sie werden einfach so belassen und sollen in diesem Zustand Lebensraum für spezielle Insekten und Käfer bieten – es sieht skurril aus.

Die Schlossruine hat eine spektakuläre Lage und bietet endlose Fotomotive. Die Audiotour kann sich jeder als App herunterladen – sehr praktisch sogar auf Deutsch! Gerade findet in der Ruine eine Hochzeit statt, weshalb wir in den Genuss von Musik kommen. Fast 2 Stunden halten wir uns hier auf und sind beide begeistert.

Anschließend radeln wir noch zum Schloss Solliden, dem Sommersitz der schwedischen Königsfamilie. Allerdings kann man den Park nur zu Fuß besichtigen und das geht mit Werners Bein aktuell nicht. Auch ist uns der Eintritt dann doch zu hoch, um nur einmal hineinzuschauen. So radeln wir zurück zum Schiff und schauen uns am Hafen noch ausgiebig die Parade der Ami-Schlitten an. Ihr müsst euch zu den Bildern oben nun auch noch ohrenbetäubenden Lärm ( …Musik) und eine ordentliche Abgaswolke (die so stinkt, wie früher als wir noch verbleites Benzin getankt haben) dazu denken!!!

Erkenntnis des Tages: nicht alles, was schön anzusehen ist, riecht auch gut…

Sonntag, 02.06.2024 Borgholm – Byxelkrok – 38 Seemeilen

Die Windvorhersage verspricht für Montag ein günstiges Wetterfenster für den „Sprung“ nach Gotland, unser nächstes größeres Ziel. Dafür bietet sich als „Absprunghafen“ auf Öland der Hafen von Byxelkrok an der Nordspitze der Insel an. Also segeln wir heute dorthin – mit Gegenwind, anfangs eher Flaute. Daher darf zu Beginn der Jockel wieder arbeiten, bis die Windanzeige uns beständig mehr als 8 Knoten anzeigt. Aus den geplanten 29 Seemeilen werden auf diese Weise 38, aber es läuft gut und macht Spaß! Gegen halb 6 laufen wir in Byxelkrog ein und finden einen schönen Liegeplatz mit Blick auf die Fischerhäuschen. Heute gibt es keinen großen Spaziergang mehr. Werner hat seinen Muskel gestern etwas überfordert, heute wird geschont! Stattdessen zaubert er uns ein leckeres Abendessen mit Spätzle in einer pikanten Gorgonzolasauce mit Hühnchenbrust und Zwiebel-Paprika-Gemüse – sehr lecker!

Aus dem Cockpit lauschen wir dem Donnern eines Gewitters, dass über dem Festland hinwegzieht – uns stehlen die Wolken nur die Abendsonne im Cockpit. Doch später sorgen sie dann für einen wunderschönen und eindrucksvollen Sonnenuntergang, den Barbara von der Mole aus genießt. Ganz nebenbei findet sie dabei Fossilien, denn die hier vorkommenden Kalksteine, die auch für den Bau der Mole Verwendung fanden, sind voll davon.

Erkenntnis des Tages: Ohne Welle macht sogar das Kreuzen richtig Spaß – und bei jeder Wende gibt es einen Kuss

Montag, 03.06.2024 Byxelkrok – Visby / Gotland – 46 Seemeilen

Der Hafen leert sich schnell, wir gehören schon fast zu den letzten, als wir gegen 9:00 Uhr ablegen. Aber der Wetterbericht hatte behauptet, dass der erwartete Wind erst ab 11:00 so richtig einsetzen würde, also warum hetzten. Anfangs läuft es erstaunlich gut, allerdings mit direkt achterlichem Wind, den Jento nicht so liebt. Wir segeln Schmetterling (Großsegel an Backbord, Genua an Steuerbord) mit 3,5 Knoten. Bei dieser Geschwindigkeit kommen wir erst um 22:00 Uhr an! Nördlich von Öland schläft der Wind dann erstmal komplett ein. Nach 1,5 Stunden unter Maschine und Großsegel verspricht uns der Windmesser wieder eine für Jento segelbare Windstärke, noch dazu raumschots. Wir rollen die Genua aus und lassen den Motor ausruhen. Jetzt läuft es mit 5,5 bis 6 Knoten beständig gut. Die Sonne scheint und wir sitzen in T-Shirt und kurzer Hose mit Lektüre im Cockpit. Es ist auch auf diesem Abschnitt wenig Verkehr, auch als wir den Hauptverkehrsweg kreuzen. Ein paar Frachter, Kreuzfahrtschiffe und Fähren und eine Handvoll Segler, mehr sehen wir nicht auf dieser entspannten Etappe. Rechtzeitig zum Abendessen (Reste von gestern) laufen wir in Visby ein.

Es reicht sogar noch für einen kleinen Verdauungsspaziergang durch die Stadt. Sie zieht uns komplett in ihren Bann – wir fühlen uns direkt zurückversetzt in die Szenerie historischer Romane aus dem Mittelalter. Unser Spaziergang führt uns vorbei an mehreren Kirchenruinen, Resten der Stadtmauer und engen Handwerkergassen. Morgen müssen wir uns als Erstes im Turistbüro und Internet mit Infomaterial eindecken und dann auf Entdeckungsreise durch diese besondere Stadt gehen.

Heute sind wir dazu zu müde und schlafen schnell ein.

Erkenntnis des Tages: Einen neuen Ort spüren, sich eigene Gedanken machen und dann Hintergrundmaterial sichten ist eher unser Reiseansatz.

Dienstag, 04.06.2024 Visby / Gotland Hafentag

Hafentag in Visby. Noch in der Koje wird sich auf den heutigen Streifzug durch Visby vorbereitet. Unser gestriger Eindruck war richtig. Die Stadt Visby ist ein einmaliges Beispiel einer mittelalterlichen Stadt und wurde bereits 1805 unter Denkmalschutz gestellt. 1995 folgte dann die Anerkennung als UNESCO Weltkulturerbe. Wir fühlen uns bei allem, was wir hier Geschichtliches lesen und in der Stadt an Gebäuden sehen, in die Götaland-Romane von Jan Guillou und seine Geschichte über Arn Magnussen, den Kreuzritter katapultiert. Aber auch historische Romane über die Hanse nehmen hier Gestalt an und Geschichte dahinter wird greifbar. Obwohl Visby so winzig ist, besitzt es die größte Anzahl an erhaltenen Ruinen in ganz Nordeuropa: zehn Kirchenruinen und 27 der ursprünglich 29 Verteidigungsposten.

Innerhalb ihrer Stadtmauern befinden sich außerdem mehr Kirchen als in irgendeiner anderen schwedischen Stadt. Die meisten Kirchen wurden im zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts zerstört, als im Thronstreits zwischen Christian II und Frederik I die mächtige Hansestadt Lübeck Frederik unterstützte. Die Lübecker eroberten 1525 Visby und bei den dabei entfachten Bränden gingen mehrere Kirchen in Flammen auf. Mit der Reformation wurde St. Hans Stadtkirche und alle anderen Kirchen wurden aufgegeben. Das die Ruinen heute noch so gut erhalten sind, ist sehr besonders. Auch die nahezu vollständige Stadtmauer ist überaus beeindruckend. Sie wurde im 13. Jahrhundert zum Schutz der (Hanse-) Stadt Visby  über einen Zeitraum von ca. 100 Jahren erbaut und im 19. Jahrhundert, nachdem die Stadt unter Denkmalschutz gestellt wurde, renoviert.

Viele der kleinen Gebäude der Stadt kleben an der Mauer oder haben kleine Gärten an ihrem Fuß. Sie trägt so noch heute zum Schutz der oftmals südländischen Pflanzen in den kleinen Gärten bei. Aus ihren Mauerritzen sprießen Elfensporn, Zimbelkraut, sogar Rosen, Holunder und natürlich Efeu, was ihr zusätzlich zu einem besonderen Flair verhilft.

Der Gästehafen ist noch recht sporadisch belegt, aber der Ort quillt schon jetzt über von Touristen, die sich in den kleinen malerischen Hotels eingemietet haben, oder nur für ein paar Stunden aus einem Kreuzfahrtschiff wie die Heuschrecken über die Stadt herfallen. Man hört alle möglichen Sprachen: Deutsch, Englisch, Amerikanisch, Holländisch, Französisch sowie Chinesisch und Japanisch war auszumachen. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie es hier in der Hauptsaison zugehen muss…

Für Morgen haben wir ein Auto gemietet, um mehr von dieser beeindruckenden Insel kennen zu lernen. Da wir es schon abends übernehmen können, machen wir noch einen Kurzausflug zu einer Schiffssetzung aus der Wikingerzeit und nehmen das mitgebrachte Abendessen-Picknick auf dem Aussichtspunkt Högklint mit Blick auf Visby ein – sehr romantisch und ein fantastischer Ausblick.

8 Antworten

  1. Euer Bericht war unsere heutige Morgenlektüre. Und da habt ihr ja wieder tolle Fotos geschossen.
    Weiter so, wir freuen uns schon auf Part 4#.
    LG H&T

  2. Danke fürs Mitnehmen auf dieser Reise. Ganz tolle Fotos und wieder spannende und interessante Berichte. Es macht Spaß Euch zu begleiten.
    Liebe Grüße
    Karin und Uwe

  3. Traumhaft, selbst über seine Zeit bestimmen zu können, also „frei“ zu sein! Ganz tolle Berichte mit Hintergrundwissen, Humor und tollen Fotos. Ich hatte heute endlich Zeit, den Blog am PC zu lesen und freue mich schon auf die Fortsetzung. Liebe Grüße und weiterhin gute Reise!

  4. Hallo ihr Reisenden,
    und wieder einmal ein beeindruckender Bericht eurer Segeltour.
    Danke für das update und die tollen Fotos.
    Hoffentlich geht es Werner jetzt besser mit seinem Bein.
    Freue mich schon auf den 4. Etappenbericht

    Ahoi
    Barbara

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