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#41 Schärentingeln bis zum Götakanal

Das Wetter ist sehr durchwachsen, aber wenn man auf einem Boot lebt ist dies ein anderes Empfinden. Wir haben für die windigen und regnerischen Zeiten die richtige Kleidung und genießen die Sonne sobald sie da ist. Wir planen unsere täglichen Touren nach dem Wetter und so kommen wir immer recht „unbeschadet“ an unsere Ziele. Uns treibt nichts und wir haben die Zeit einen Tag auf das richtige Wetter zu warten. So sind wir zwar mal vom Regen genervt, nehmen es aber im Großen und Ganzen gelassen. Zuhause würden wir vielleicht bei Regen und Wind den ganzen Tag drinnen verbringen. An Bord sind wir trotzdem an der frischen Luft und das tut uns gut!

Samstag 21.06.2025 – Pataholm – Oskarshamn

Für heute ist kräftiger und böiger Wind vorhergesagt. Vormittags West mit leichtem Südeinschlag, dann im Verlauf des Tages aber nördlich drehend. Da unsere grobe Richtung derzeit Nord ist, wollen wir vor dem Winddreher noch möglichst viele Seemeilen in diese Richtung gutmachen. Anfangs klappt das wunderbar. Wir laufen mit fast achterlichem Wind aus dem Schärengürtel von Pataholm und biegen im offenen Wasser dann links in Richtung Norden. Bei beständigen 16 Knoten und Böen bis 24 Knoten, nehmen wir das Groß ins erste Reff und rollen auch die Genua erst ins erste, später sogar ins zweite Reff ein. Es läuft gut, bis sich die Bucht vor Oskarshamn in Richtung Westen öffnet. Hier bekommen wir eine Art Kap Effekt zu spüren. Die von Südwest schiebende (alte) Windwelle trifft auf eine Nordwestströmung aus der Bucht und die Wellen werden hoch und kabbelig. Jento stampft sich gefühlt in jeder dritten Welle fest und wir werden ganz schön durchgeschüttelt. Zum Glück ist der Spuk nach ein paar Seemeilen wieder vorbei, die See wird ruhiger und Jento läuft wieder beständig über 5 Knoten. Der Wind dreht von Nordwest zurück auf West, als wir das markierte Fahrwasser nach Oskarshamn erreichen. Wir packen die Segel ein und laufen die letzten 3 Seemeilen unter Maschine.

Von Oskarshamn hatten wir wenig Gutes gelesen, aber Barbara möchte ein bestimmtes Dorf ansehen und das geht von hieraus mit dem Rad am besten. Außerdem ist mal wieder Wäschewaschen angesagt und im Stadthafen sind Waschmaschinen- und Trocknernutzung im Preis enthalten. Wir legen bei strahlendem Sonnenschein direkt vor dem Servicegebäude mit WC, Duschen und besagten Waschmaschinen an – perfekt! Als Liegeplatzgebühr werden 360 SKR, also etwa 33€ fällig. Uns gelüstet es nach Fika, also macht Barbara sich auf den Weg zu einer empfohlenen Konditorei. Unterwegs sieht sie auffällig viele Streetart-Kunstwerke an Hauswänden, Stromkästen und Bänken. Das muss an Bord gleich mal gegoogelt werden. Vielleicht gibt es in Oskarshamn doch mehr zu sehen, als erwartet?!? Die Konditorei hat wegen des Mittsommerfeiertages geschlossen, aber coop nebenan bietet ebenfalls diverse Fika-Teilchen an. Werner hat währenddessen schon mal die Räder ausgepackt und zusammengebaut. Das ist immer eine ziemliche Plackerei mit den doch recht großen Klapprädern, dafür fahren sie sich aber auch besser als die meisten Bootsfahrräder.

Nach Fika und Einlaufgetränk geht es los in Richtung Stensjö By. Dabei handelt es sich um einen kleinen Weiler 10 Kilometer nördlich von Oskarsham, der über Jahrhunderte von den Mitgliedern einer großen Familie bewohnt wurde und die gemeinsam das umliegende Land bewirtschafteten. In den 1950er Jahren verließen die letzten Mitglieder dieser Familie den Ort – zu mühselig war die Arbeit und zu gering der Ertrag. Stensjö By begann zu verfallen. Seit 1960 befindet sich der Weiler nun im Besitz der Königlichen Schwedischen Akademie für Schrifttum, Geschichte und Altertümer. Ziel ist es, den Weiler und seine Ländereien in ihrem Zustand wie um 1900 zu erhalten. Der Weiler selbst besteht aus einer Ansammlung von alten, rot gestrichenen Holzgebäuden, die durch einfache Schotterstraßen verbunden sind. Die Gärten und Weiden sind mit kilometerlangen Holzzäunen begrenzt, auf denen sich Unmengen von Flechten angesiedelt haben.  Auch die umliegende Landschaft hat einen hohen kulturellen Wert. Sie ist gut erhalten mit Weiden, die von Rundpfahlzäunen umgeben sind. Hier grasen noch Kühe, Schafe und Schweine. Stensjö by war der Drehort für viele Szenen in der Verfilmung von Astrid Lindgrens Bullerbü-Büchern sowie im Film Emil aus Lönneberga.

Heute ist der Ort ein bewohntes und bewirtschaftetes Museumdorf. Die Höfe werden noch auf traditionelle Weise bewirtschaftet. Schafe, Kühe und Schweine leben auf den Weiden, Hühner laufen im Dorf frei umher, Heu wird mit der Sense geschnitten und in großen Haufen getrocknet. Wir kommen am späten Nachmittag des Feiertages in Stensjö By an und es ist ausgestorben. Wir treffen nur ganz vereinzelt auf andere Besucher und haben die Szenerie für uns allein. Wir fühlen uns wie aus der Zeit gefallen, zurückversetzt in eine Welt vor 100 oder 150 Jahren. Nur ein paar fleißige Landarbeiter auf dem Feld und ein paar spielende Kinder mit nackten Füßen fehlen noch zum perfekten Bild.

Nach einem Rundgang im und um das Dorf, besteigen wir wieder unsere Fahrräder für den Heimweg. Nach drei Kilometern hat Barbara einen Platten. Flickzeug haben wir nicht dabei, also fährt Werner alleine weiter und kümmert sich um Einkauf und Abendessen und Barbara schiebt den geliebten Drahtesel die sieben Kilometer zurück nach Oskarshamn. Eigentlich eine leichte Übung, aber leider war die Wahl auf das falsche Schuhwerk gefallen.

Abends wird noch eine erste Maschine Wäsche gewaschen und anschließend der Trockner bemüht. Die Wartezeit vertreibt sich Barbara mit Fotografie – es ist die kürzeste Nacht des Jahres, der Himmel klar und die blaue Stunde einfach nur schön.

Sonntag, 22.06.25 Oskarshamn – SXK-Boje Lindnäsviken – 26 Seemeilen

Zum Thema „Streetart in Oskarshamn“ wurden wir im Internet fündig. Seit 2020 hat die Stadt sich durch viele beeindruckende Kunstwerke von weltbekannten Künstlern in ein künstlerisches Juwel verwandelt. Die Stadt ist eine lebendige Galerie mit farbenfrohen und einzigartigen Gemälden, die sowohl Hauswände als auch öffentliche Plätze schmücken. Die treibende Kraft hinter Oskarshamns Street Art ist Albin Wiberg, Projektleiter und leidenschaftlicher Künstler. Mit seinem großen Engagement für die Kunst hat er dazu beigetragen, eine Stadt zu schaffen, die neue und fantastische Kunsterlebnisse bietet. Er selbst sagt dazu:

 „Die Tatsache, dass die Kommune uns in Zusammenarbeit mit den örtlichen Immobilienbesitzern die Möglichkeit gibt, weltbekannte Künstler zu engagieren, die rund um die Uhr und das ganze Jahr über Kunst im öffentlichen Raum schaffen, macht den Einwohnern, Besuchern und der Marke Oskarshamn großen Spaß.“

Auf ihrer Homepage stellt die Stadt die verschiedenen Künstler der Kunstwerke vor und gibt Erläuterungen zu jedem Kunstwerk. In einem Stadtplan ist zudem die Lage der Kunstwerke vermerkt, was Barbara zu einem entsprechenden Spaziergang durch die Stadt animiert. Hier einmal die gestalteten Hausgiebel:

Daneben wurden Banke und Stromkästen verschönert. Und in 2025 eine Bildergalerie auf dem zentralen Platz aufgestellt:

Werner versucht sich derweil an der Reparatur des Fahrrades und muss leider aufgeben: Der Schlauch ist total zerfetzt und der Ersatzschlauch, den wir an Bord haben zu groß. Also packt er alle Einzelteile ein und widmet sich der nächsten Aufgabe: Wassertank füllen und Boot abspülen. In Kalmar wurde rund um den Hafen gebaut und ein feiner Staub legte sich auf alle Boote. Unterdessen wurde dieser bei Jento auch noch mit salzigem Spritzwasser getränkt. Entsprechend sieht die das Deck aus…

Gegen Mittag legen wir dann endlich ab. Heute ist nicht mit viel Wind zu rechnen, aber die Richtung stimmt: Südost. Im Außenhafen begegnet uns die Gotlandfähre – sieht schon mächtig groß aus, da machen wir mal lieber Platz! Wir segeln entspannt und mit wenig Welle mit überwiegend leichtem achterlichem Wind. Da performed Jento nicht so richtig, aber wir kommen voran. Erst auf dem letzten Stück ist die Windabdeckung der bewaldeten Schären so stark, dass wir das Dieselsegel setzen müssen. Unser heutiges Ziel ist eine der SXK-Bojen. Wir kommen an mehreren Standorten dieser Bojen direkt neben dem Schären-Fahrweg vorbei, aber die sind bereits alle belegt. Also nehmen wir eine etwas abseitsliegende Bucht. Dort soll es zwei Bojen geben und wir haben Glück, eine ist noch frei! Für nachts sind durchziehende Regengebiete mit Böen angesagt, aber wir liegen hier super geschützt wie in Abrahams Schoß.

Montag, 23.06.2025 – SXK-Boje Lindnäsviken – Ankerplatz östlich Torrö (57°53.400N – 16°47.579E) – 24 Seemeilen

Die Nacht war ruhig, weder der angesagte Regen, noch der Wind hat uns besucht. Heute soll es aber nun wirklich am späten Nachmittag losgehen. Also starten wir rechtzeitig, denn wir wollen ja auch irgendwann mal am Göta Kanal ankommen! Der Wind weht schwach aus Südost. Wir setzen Groß und Genua. Als wir nach wenigen Meilen aus dem Schärengürtel herauskommen, erwartet uns eine unangenehme Welle. Dies gepaart mit wenig Wind führt zu schlagenden Segeln, wenig Fahrt und unschönem Geschaukel. Wir halten nicht lange durch, zumal die Fahrt durchs Wasser aufgrund des leicht mitsetzenden Stroms immer wieder deutlich unter 2 Knoten fällt. Das fühlt sich mit all den Untiefen um uns herum nicht gut an. Also setzen wir das Dieselsegel. Damit bekommen wir zwar Fahrt ins Schiff, aber das Geschaukel wird erst besser, als wir am Nachmittag wieder in den Schärengürtel einfahren. Den eigentlichen Plan, heute knapp 40 Meilen zu schaffen, haben wir da schon lange aufgegeben. Die Regen- und Gewitterfront soll uns bereits am Nachmittag erreichen und da wollen wir sicher an einem geschützten Ankerplatz liegen. Den finden wir in einer kleinen Bucht östlich von Torrö. Hier kann uns weder Wind aus Süd, West oder Nord etwas anhaben und Ostwind ist nicht vorhergesagt. Nachdem der Anker gesetzt und eingefahren ist, genießen wir die Ruhe vor dem Sturm. Die Sonne sticht geradezu und der Wind ist nahezu eingeschlafen, aber die Front können wir im Westen schon sehen. Und dann geht es auch schon los mit Regenguss und Gewitter. Wir verziehen uns in den Salon. Werner bereitet das Abendessen vor. Heute gibt es Lasagne aus dem Ofen. Schöner Nebeneffekt: es wird kuschelig warm unter Deck. Denn bei den derzeitigen Wassertemperaturen von 13°C, kühlt es im Schiff schnell ab, wenn die Sonne nicht durch die Fenster scheint.

Barbara markiert derweil in unseren digitalen Karten die Lage der SXK-Bojen. Diese sind zwar alle in den Karten verzeichnet, aber man findet sie nur, wenn man ziemlich weit hineinscrollt. Das ist für die Übersichtsplanung wenig hilfreich. Daher setzt Barbara in die Karten Markierungen, die auch im größeren Maßstab noch sichtbar sind.

Natürlich geht der Ankeralarm los, kaum, dass es draußen wie aus Kübeln schüttet. In einem ersten Schritt erweitern wir den Radius in der App und beobachten, ob wir uns dem Außenkreis weiter nähern. Der Wind hat um 90 Grad gedreht und wir vermuten, dass wir die Lage des Ankers nicht korrekt markiert haben. Als der Regen aufhört, fahren wir den Anker zur Sicherheit erneut mit der derzeitigen Ausrichtung ein. Nun sollte einer ruhigen Nacht nichts im Wege stehen, auch wenn es in der Takelage heult.

Zum Abendessen gibt es heute eine kreative Lasagne: statt Lasagne Blättern müssen Nudeln herhalten geht auch, zudem eine Schicht Zucchini als Gemüse …  schmeckt lecker!

Dienstag, 24.06.2025 – Ankerplatz östlich Torrö – Ankerplatz Långholmsviken auf Väggö – 24 Seemeilen

Es hat geklappt mit nahezu ungestörter Nachtruhe. Nur das Poltern der Ankerkette am steinigen Grund war hin und wieder zu hören. Und als wir die Augen öffnen sehen wir über dem Luk unerwartet blauen Himmel. Genau über uns hat sich ein großes Loch in der Wolkendecke gebildet, nördlich und südlich ziehen große Regengebiete durch. Der Wind ist kräftig mit Starkwindböen aus West vorhergesagt. Wir wollen uns im Schärengarten weiter Richtung Norden vortasten und hoffen, auf ruhiges Wasser und etwas Windschutz. Nach dem morgendlichen Kaffee, den wir im sonnigen und windgeschützten Cockpit einnehmen können, holen wir den Anker hoch und legen unter Genua ab. Das klappt prima! Wir folgen dem Schärenfahrwasser, das sich durch die kleinen Inselchen und großen Steine schlängelt. Wie erwartet haben wir keine Welle. Der Wind schwankt stark. An Engstellen befinden wir uns im totalen Windschatten und der Windmesser zeigt nur 4-5 Knoten an. Sobald es etwas offener wird, messen wir Windstärken von 16-20 Knoten, in Böen bis 30 Knoten. Wir sind sehr konservativ nur mit unserer Genua im ersten Reff unterwegs. Das führt an Engstellen dazu, dass wir fast stehen bleiben, aber in offeneren Bereichen passt es ganz gut. Leider schieben sich schon bald Wolken vor die Sonne und es ist im Wind empfindlich kalt. Man könnte schon fast Handschuhe gebrauchen! Nach einiger Zeit entdecken wir vor uns eine Schäre mit toten Bäumen. Wir vermuten eine Kormorankolonie. Wo sie sich niederlassen, sterben die Bäume aufgrund ihres ätzenden Kots ab. Die kleine Schäre heißt Lilla Källskär. Beim Näherkommen sehen wir große Vögel, die überhaupt nicht nach Kormoranen aussehen. Ein Blick durch das Fernglas bringt Gewissheit: es sind Seeadler – bestimmt ein Duzend, wenn nicht mehr. Wir sind sprachlos. Später googeln wir zu dieser Schäre und findet einen Zeitungsartikel aus 2020 in dem voller Entsetzen von den toten Bäumen durch die Kormorane berichtet wird. Der Seeadler ist ein natürlicher Feind der Kormorane. Vielleicht dämmt er hier die Zahl der Kormorane ein und ermöglicht so den Pflanzen eine Erholung.

Nur wenige Augenblicke später entdecken wir auf der anderen Seite eine kleine Schäre mit mindestens 30 Reihern. In dieser Region sind viele Vogelschutzgebiete ausgewiesen, die in bestimmten Zeiten nicht betreten werden dürfen. Offensichtlich zur großen Freude der Vögel!

Gegen Nachmittag sind wieder Regenschauer angesagt und daher haben wir als Ziel eine geschützte Ankerbucht im Schärengarten vor Valdemarsvik direkt an unserer Route als Ziel ausgesucht. Gegen halb drei kommen wir an. In der Bucht liegen bereits 4 Boote unter Heckanker und mit der Nase am Felsen. Sogar ein kleiner Steg mit Picknickplätzen ist zu sehen. Um in der Mitte frei zu ankern, reicht der Platz nicht. Also disponieren wir um und werfen ebenfalls den Heckanker und gehen mit der Nase an den Steg. Wir haben leider keine Bugleiter und ohne diese ist es von den Felsen nahezu unmöglich, Jento zu erklimmen. Der Bug ist einfach zu hoch (oder unsere Beine zu kurz), weshalb wir diese ansonsten sehr schöne schwedische Art des Anlegens an einer Schäre ungern nutzen.

Kaum haben wir angelegt, beginnt es zu regnen – die Fika gibt es also im Salon zusammen mit der Lektüre des Flyers zum Naturschutzgebiet Östergötland, in dem wir uns befinden. Darin beschrieben ist auch unsere Schäre und darauf sogar ein Wanderweg! Als es aufhört, starten wir also zu einer Inselerkundung und staunen nicht schlecht, als wir kurz hinter unserem Liegeplatz auf einen geöffneten Kiosk treffen. Eine junge Schwedin klärt uns auf, dass man hier auch Hütten mieten kann und dass neben Toiletten auch eine Sauna vorhanden ist, die man buchen kann. Nach dem heutigen kalten Segeltag ist das genau das Richtige für uns. Wir buchen 2 Stunden! Dann machen wir uns auf die Rundwanderung über die Insel, leider bei schlechtem Licht, aber trotzdem schön.

Nach dem Abendessen (Lasagne-Reste von gestern) geht es dann in die Sauna. Sie wird durch einen Holzofen beheizt. Wir müssen kurz warten, bis unsere „Vornutzer“ fertig sind, haben dafür aber den Vorteil, die Sauna nicht von Null aufheizen zu müssen. Im Ofen ist noch Glut, die nur wieder entfacht werden muss. In kurzer Zeit hat die Sauna 70°C und sehr bald auch 90°C erreicht. Das Saunahäuschen steht direkt am Wasser, verfügt über eine Außendusche und einen direkten Zugang zum Meer. Auf der vorgelagerten Holzterrasse befindet sich eine Bank für die Ruhephase. Die Wassertemperatur ist heute unterwegs auf unter 10 Grad gefallen. Wie kalt es hier ist, wissen wir nicht. Selbst zum Abkühlen nach der Sauna finden wir es sehr kalt. Mehr als 3-4 Schwimmzüge sind da nicht drin. Aber immerhin: wir haben angebadet in Schweden!

Mittwoch, 25.06.2025 – Långholmsviken auf Väggö – Söderköping – 30 Seemeilen

Wieder hatten wir eine angenehm ruhige Nacht. Der gewohnte Blick in die Wetterapps beim Morgenkaffee offenbart uns schwache westliche später nordwestliche Winde sowie Regen ab 13:00 Uhr. Wir beschließen direkt aufzubrechen um so vielleicht zumindest im Schärengarten noch einige Abschnitte Segeln zu können. Wir starten in kompletter Landabdeckung mit 3 Knoten aus West. Als wir offeneres Wasser zwischen den Schären erreichen, setzten wir die Segel und können hoch am Wind drei Seemeilen segeln. Dann kommt die erste Engstelle mit Kurs nahezu direkt in den Wind, denn dieser dreht „natürlich“ viel früher, als vorhergesagt. Also Maschine an. Wenig später setzt – ebenfalls verfrüht – der Regen ein. Die Temperaturen liegen bei 15°C, dazu Gegenwind und Regen – es fühlt sich noch kälter an. Handschuhe wäre keine schlechte Idee. So bleibt das Wetter, bis wir ungefähr eine Stunde vor Mem, dem Zugang zum Göta Kanal sind. Dann kommt die Sonne raus. Wir ziehen das Groß hoch, damit es trocknen kann, bevor wir es für viele Tage einpacken. Auf dem Göta Kanal darf nicht gesegelt werden, nur auf den Seen. Der erste Größere, ist erst der Roxen in ca. 5 Tagen.

Als wir Mem erreichen, ist der Wind ganz eingeschlafen und die Sonne scheint von einem blauen Himmel mit Schäfchenwolken. Es hat den Anschein, als hätten wir in der letzten Stunde die Jahreszeit gewechselt. Wir entledigen uns all unserer Jacken und Mützen und spazieren im T-Shirt zum Büro der Kanalgesellschaft. Dort empfängt uns Fabian, einer der vielen jungen Kanalhelfer. Aufgrund des schlechten Wetters hatte er heute bisher wenig zu tun und freut sich über Kundschaft. In aller Ruhe erklärt er uns, wie die beste Leinenführung zum Aufwärtsschleusen auf einem Segelboot gelegt werden sollte und verkauft uns unser Kanalticket. Bei ihm steht auch ein Kompressor, mit dem Werner alle unsere Fender noch einmal ordentlich aufpumpt. Währenddessen verlegt Barbara die Bug- und Heckleine. Als Heckleine fungiert eine ganz normale Festmacherleine. Unsere ist 12m lang und das genügt. Die vordere Leine muss deutlich länger sein, denn sie wird vom Bug bis zum Cockpit geführt und dort über die Winsch gelegt. An der vorderen Klampe bringen wir eine Umlenkrolle an, um den Reibungswiderstand möglichst gering zu halten. Außerdem setzen wir auch an der Mittelklampe eine Umlenkung mit Hilfe eines Softschäkels und eines Karabiners. Ohne diesen würde die Bugleine an den frisch lackierten Aufbauten scheuern und das wollen wir vermeiden. Als Leine nutzen wir unsere 25m lange Ankerleine vom Heckanker. Die ist lang genug. So ausgestattet fahren wir als einziges Boot in die erste Schleuse ein. Barbara steigt dazu an Land und führt beide Leinen mit. Die Heckleine wird senkrecht über dem Heck an Land befestigt, die Bugleine ca. eine halbe Bootslänge vor dem Bug. Dann schließt Fabian mittels Fernbedienung die Schleusentore hinter Jento. Werner schaltet die Maschine aus, belegt die Heckleine stramm an Bord und zieht auch die Bugleine über die Winsch stramm. Nun werden die Schotten an den vorderen Schleusentoren geöffnet. Wasser strudelt mit Macht herein und hebt Jento in die Höhe. Werners Aufgabe besteht nun darin, die Bugleine permanent auf Spannung zu halten, damit der Bug nicht ausbricht und das Boot in die Schleusenmitte getrieben wird. Solange wir allein in der Schleuse liegen, wäre das relativ undramatisch, läge allerdings ein zweites Boot neben uns, könnte es dabei zu massiven Schäden an beiden Booten kommen. Das soll auf jeden Fall vermieden werden. Erstaunlich schnell befindet Jento sich auf dem Wasserniveau des Kanals. Barbara löst die Festmacherleinen, während sich die Schleusentore öffnen und wir fahren in den Kanal ein.

Als blaues Band Schwedens verbinden der Göta Kanal und der Trollhätte Kanal Stockholm und Göteborg auf Wasserwegen. Ein paar Kurzfakten zum Götakanal:

Anzahl der Schleusen:        58

Länge des Kanals:                  190 Km

Höchster Punkt ü.d.M.:      91,8 m

Anzahl Yachthäfen:               21

Baujahr:                                        1810 – 1832

Max. Geschwindigkeit:       5 Knoten

Höchstmaße für Boote:

Länge:                    30m

Breite:                    7m

Tiefgang:               2,82m

Höhe:                     22m

Bis zum Hafen in Söderköping liegen drei Seemeilen und zwei weitere Schleusen vor uns. Es ist ein beeindruckender Moment, als wir nun mit Jento auf total ruhigem Wasser durch die Landschaft gleiten! In der nächsten Schleuse, die bereits offen auf uns wartet, treffen wir auf eine noch etwas unsichere und daher umso strengere Schleusenwärterin, die es Werner nicht erlaubt, die Bugleine aus der Hand dicht zu holen: er muss die Winschkurbel benutzen – wir tun ihr den Gefallen. Vor der letzten Schleuse für heute müssen wir warten. Der dortige Schleusenwärter muss sich auch um die Brückenöffnung der nachfolgenden Brücke kümmern und dort gab es wohl gerade ein Problem. Also legen wir kurz linker Hand an der Wartepier an und sind froh über diesen kleinen Zwischenstopp, denn hier ist es nicht möglich, Barbara vor der Schleuse mit den Leinen an Steuerbord an Land steigen zu lassen. Das geht hier nur an Backbord. Das bedeutet, dass wir unsere Bugleine von Steuerbord auf Backbord umbauen müssen. Um zukünftig frei mit der Wahl der Seite zu sein, beschließen wir, auf beiden Seiten entsprechende Bugleinen vorzubereiten. Irgendwo in den Tiefen des Bootes müssten noch weitere lange Leinen liegen.

Wir finden einen Liegeplatz direkt vor einem Brauerei-Lokal und beschließen, heute mal essen zu gehen. In der Sonne direkt vor Jento ist noch ein Tisch frei. Den nehmen wir und genießen ein kühles Bier mit Blick auf Jento als Anlegegetränk. Wir sind glücklich und ziemlich zufrieden, uns beim Schleusen nicht ganz blöd angestellt zu haben – der letzte Schleusenwärter vermutete, dass wir nicht zum ersten Mal durch den Göta Kanal gingen. „You are looking like experts“ waren seine Worte – das ging runter wie Öl!

Donnerstag, 26.06.2025 – Hafentag Söderköping

Beim Morgenkaffee wird uns beim Blick auf die per Mail zugesandte Buchungsquittung klar, dass wir zu wenig für die Kanalpassage bezahlt haben. Warum auch immer hat Fabian den Vorsaisonpreis in Rechnung gestellt. Statt 800€ haben wir nur 600€ bezahlt. Wir sind gespannt, ob das noch irgendwo zum Problem wird…

In dem Preis für die Kanalpassage sind auch die Aufenthalte in den 21 Häfen des Göta Kanals enthalten. Zudem darf man in jedem Hafen 5 Nächte bleiben. So gesehen ist für diejenigen, die sich auf dieser Passage Zeit lassen, die Reise sogar relativ günstig. Strom und Wasser sind ebenso inkludiert, wie in einigen Häfen Waschmaschinen- und Trocknernutzung.

Wir wollen erstmal den Ort erkunden. Es gilt einen Ersatz für Barbaras zerfetzten Fahrradschlauch zu besorgen und ein paar Proviantaufstockungen vorzunehmen. Söderköping ist ein malerischer kleiner Ort, der schon vom 13. bis 16. Jahrhundert ein wichtiger Handelsplatz mit guten Kontakten zur Hanse war. Der Schiffsverkehr verlief über die Ostsee und dann die Storån hinauf in die Stadt. Zudem wurde hier 1302 König Birger gekrönt und wir werden gleich wieder an die vierteilige „Arn-Magnussen-Reihe“ von Jan Guillou erinnert, die wir vor Jahren gelesen haben.

Söderköping ist eine der am besten erhaltenen mittelalterlichen Städte Schwedens und auch hier wurden viele Szenen schwedischer Filme gedreht (die Serie Madita und auch die Inga-Lindström Filme). Die Landhebung in Schweden führte dazu, dass der Hafen ab Ende des 15. Jahrhunderts nicht mehr schiffbar war. Das besiegelte den Niedergang als Handelsplatz. Die Industrialisierung ging an der Stadt nahezu vorbei und die Einwohnerzahl sank auf 700. Im 19. Jahrhundert wurde die Stadt dann als Kurort entdeckt – sie wurde Schwedens erster Kaltwasserkurort. Der im Osten der Stadt liegende Kurpark mit seinen Gebäuden entstand. Ein weiteres tat der Bau des Göta Kanals. Plötzlich war sowohl der Handel wieder möglich, als auch der Tourismus. Letzterer ist heute das wichtigste Standbein der Stadt. Dazu zählen auch die Herstellung und der Verkauf von Speiseeis. Das direkt am Göta Kanal liegende Eiscafé „Smultronstället“. Hier soll es angeblich das beste Eis Schwedens geben – die jährliche Verkaufsmenge von 70 Tonnen wird genannt!

Mittags verholen wir das Boot 100m weg von „unserem“ Restaurant, weil hier den ganzen Tag eine Lüftung für ein Grundrauschen sorgt. Dann sind wir bereit für eine Wanderung. Direkt hinter unserem Heck auf der anderen Seite des Göta Kanals erhebt sich der Aussichtsberg Ramunderberget. Über 278 Stufen steigen wir in die Höhe und haben von oben einen schönen Blick auf unser „Spielzeugboot“. Der Ramunderberget ist nicht nur Aussichtspunkt, sondern auch Naturschutzgebiet, durch den sich diverse Wanderwege ziehen. Wir machen eine große Runde durch den lichten Wald, anfangs geprägt von Kiefern, später auch von Birken und anderen Laubbäumen. Das Licht fällt unentwegt auf einen hellgrün leuchtenden Teppich zu Füßen der hohen Bäume, der aus Blaubeersträuchern, Farnen und jungen Eichensprösslingen besteht. Abseits der Aussichtspunkte treffen wir kaum Menschen. Nur das Rauschen der an Söderköping vorbeiführenden E22 ist im Hintergrund immer leise zu hören. Unterwegs treffen wir auf eine Blindschleiche, die extra für uns ganz still auf dem Weg liegt und wartet, bis wir unsere Bilder gemacht haben. Der Rückweg führt uns noch an einem alten Trockendock vorbei, dessen Schleusentore noch von Hand betrieben werden. Zwei der Schleusen des Kanals sollen noch auf gleiche Weise funktionieren. Dort müssen die Segler mithelfen – wir sind gespannt!

Abends dürfen wir dann noch Zeugen eines besonderen Schauspiels werden: Auf dem Göta Kanal gibt es drei (kleine) historische Kreuzfahrtschiffe: die M/S Diana, die M/S Juno und die M/S Wilhelm Tham. Ihre Größe ist optimal an die Maße der Schleusenkammern angepasst. Neben uns legt nun die 1912 erbaute M/S Wilhelm Tham an. Ihre 4-tägige Kreuzfahrt endet hier und wir beobachten, wie die Crew sich in Ausgehuniform in einer Reihe aufstellt und jeden Fahrgast mit Handschlag verabschiedet. Die Kapitänin ist die kleinste uns zierlichste Person in der Reihe und sieht sehr jung aus. Kaum sind die Gäste von Bord, werden die Kabinen aufgeklart und Proviant an Bord geschafft. Dann fährt das Schiff in die Schleuse, um im kleinen Hafenbecken unterhalb der Schleuse zu wenden, denn morgen geht es mit neuen Gästen auf die umgekehrte Reise nach Motala. Das Schiff verfügt weder über Bug- noch Heckstrahler, die bei diesem Manöver im engen Hafenbecken unterstützen könnten. Nur mit Hilfe einer Spring ans Ufer, Geduld und guten Fingerspitzengefühl beim Einsatz der Maschine dreht die Kapitänin mit Hilfe zweier Crewmitglieder in aller Ruhe das Schiff um 180 Grad und fährt dann erneut in die Schleuse, um oben angekommen wieder neben uns festzumachen. In der Schleuse können wir einen Blick in die nostalgischen Kabinen und den prachtvollen Salon werfen.

Freitag, 27.06.2025 Hafentag Söderköping

Eigentlich wollten wir heute weiter, aber Barbara hat noch Schuhe beim Schuster, die erst gegen Mittag fertig werden und ein Blick ins Kanalhandbuch zeigt uns, dass wir bis zum nächsten Hafen sechs Stunden einplanen sollen. Wir haben es nicht eilig, also bleiben wir noch. So kommen wir in den Genuss, das Einlaufen eines schwedischen Zwölfers zu bestaunen. Wir kennen diese Segelboote von Regatten auf der Flensburger Förde – wahre Schönheiten, die für uns der Inbegriff von Schönheit unter Segeln sind. Im Kanalhandbuch wird auf die maximale Bootsgröße für den Kanal hingewiesen. Neben dem maximalen Tiefgang von 2,80m ist auch die maximale Masthöhe von 22m angegeben. Wir haben schon von Zwölfern gelesen, die 3m Tiefgang haben und ein Blick in die Höhe lässt uns auch daran zweifeln, dass dieser Mast unter allen Brücken hindurchpasst. Werner will es genauer wissen und sucht das Gespräch mit einem der Crewmitglieder: Tatsächlich erfüllt die „Princess Svanenvit“ die Tiefenvorgaben, denn sie hat „nur“ einen Tiefgang von 2,70m. Allerdings ist der Mast mit 27m zu hoch, weshalb er für die Fahrt auf dem Göta Kanal gelegt werden muss. Das würden wir uns gerne ansehen, aber es ist nicht ganz klar, wann genau das passieren wird. Der gelegte Mast soll dann auf einem Ponton abgelegt und hinterhergezogen werden. Auf der Internetseite des Bootes können wir die geplante Route nachlesen und finden auch ein paar beeindruckende Fotos zur einmaligen Innenausstattung des Bootes. Heute gehört das Boot der Princess Svanevit Stiftung und mit ihrer Fahrt durch den Kanal will sie auf die Bedeutung des beweglichen Kulturgutes Schwedens hinweisen. Wir staunen über die schönen Linien, die mächtige Pinne, deren Ende ein Schwanenkopf ziert und über die großen Winschen. Alles glänzt, wie gerade geputzt.

Zufällig treffen wir vor dem Schmuckstück einen Segler mit einem Flensburger Sweatshirt und kommen sofort ins Gespräch. Peter und Katinka sind mit ihrer X40 „Samba“ ebenfalls entspannt auf dem Kanal unterwegs und wir beschließen kurzentschlossen gemeinsam eine Radtour nach Schloss Stegeholm zu unternehmen. Genau wie wir sind sie auf der Anfahrt zum Göta Kanal an der Schlossruine vorbeigefahren, ohne einen Stopp einzulegen. Der heutige Hafentag ermöglicht es uns nun, den Besuch nachzuholen.Es geht mit Rückenwind (sehr gefährlich) meist entlang von Landstraßen über eine Strecke von 21 Kilometern nach Stegeholm. Da wir mit unseren „biologischen“ Fahrrädern unterwegs sind, schalten die beiden ihre elektrische Unterstützung überwiegend aus. Die Strecke ist hügeliger, als erwartet und so können wir alle vier am Ziel erstmal etwas zu trinken gebrauchen, bevor es zur Ruine geht. Die Lage der Ruine an einer natürlichen Engstelle in der Zufahrt nach Söderköping bedeutete schon früh gute Einnahmemöglichkeiten durch Zölle und so war die Anlage in ihrer Prachtzeit sehr ansehnlich. Heute braucht man Fantasie und eine gute Audioführung, um die Gebäude vor dem inneren Auge wieder zu komplettieren.

Während unserer Besichtigung frischt der Wind immer mehr auf. Leider gibt es keine Möglichkeit, mit dem Boot oder einem Bus die Rückfahrt anzutreten: wir müssen radeln! Wir wollen nicht die gleiche (wenig schmuckvolle) Strecke zurück und nutzen daher die Fähre, die uns ans andere Ufer bringt, um in einem weiten Bogen nach Mem, den Eingang zum Kanal zu kommen. Von dort können wir ohne Steigungen auf dem Kanal-Treidel-Weg bis Söderköping radeln. Die Wahl dieses Rückweges war die richtige Entscheidung – er ist landschaftlich ausgesprochen hübsch und führt zumindest in der ersten Hälfte oftmals durch waldige Abschnitte, die den Gegenwind etwas abschwächen. Außerdem fahren wir wie bei der Tour de France in enger Reihe – E-Biker voraus und Bio-Biker im Windschatten. Die Damen tauschen nach der Hälfte der Strecke, Werner hält auf seinem Bio-Bike wacker durch. Irgendwann öffnet sich die Landschaft, der Wind erwischt uns jetzt richtig und natürlich geht es auch noch bergan… Aber irgendwann ist Mem erreicht und nun geht es zumindest auf ebener Strecke die letzten sechs Kilometer entlang des Kanals. Wir erinnern uns daran, wie wir uns früher von unseren Mofa-Freunden haben ziehen lassen. Das geht auch mit E-Bikes im Turbogang!

Abends reicht die Kraft dann gerade noch für Abendessen, Dusche, kleinen Verdauungsspaziergang und Bericht schreiben.

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